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ArchPhilo WS 2023-24 / Architektur sollte ein Jahrhundert der Ideen beherbergen.

THESE 13: Architektur sollte ein Jahrhundert der Ideen beherbergen.

András Szántó: Imagining the Future Museum. 21 Dialogues with Architects, Berlin 2022, S. 74-84.

Das Konzept “Zeitlichkeit”

András Szántó spricht mit Jing Liu & Florian Idenburg von SO-IL, New York City

Die beiden Architekten trafen sich im Büro von SANAA, sei waren an verschiedenen Museumsprojekten beteiligt, und haben damit angefangen, die Definition des Museums zu hinterfragen. Sie bewegten sich weg von der traditionellen Idee eines Museums, hin zu Räumen für neue Ideen. SANAA baute damals das 21st Century Museum of Contemporary Art in Kanazawa, Japan. Das Museum gründet auf der Vortellung, dass es bei einer Institution immer um die Einrichtung von Beziehungen - zwischen Menschen und Ideen, Menschen und Menschen, Menschen und Raum - geht. Zur gleichen Zeit wurde in Bilbao das Guggenheim-Museum errichtet, das den Diskurs in die entgegengesetzte Seite schwenkt: Es geht nur um die reine Präsenz eines Gebäudes in einer Landschaft.

Je mehr Museen entstehen - und es sind sehr viele entstanden in den letzten Jahren - umso schwieriger wird es, all diesen Raum sorgsam zu betreuen und ihn auch vernünftig zu bespielen. Die Kategorie der »Bigness«, die zur Zeit der Stararchitektur wichtig war, hat heute ausgedient. In den letzten Jahren haben sich die Diskurse auf lokale, kleinere Gemeinden verlagert. Vielleicht werden wir mehr pluralistische, offene und lokal verankerte Lösungen sehen und nicht ein Modell, das überall repliziert werden kann. Museen haben sich verändert, verglichen mit jenen dem letzten Jahrhundert, insbesondere hat sich das Verhältnis zwischen Ausstellungsraum und öffentlichem Bereich verändert, dh. es gibt im Museum mehr öffentlichen Raum. Museen waren früher in der Regel introvertiert, heute wenden sich sich mehr nach außen. Bei ihrem Projekt Armant, in Brooklyn, versuchten die Architekten »Porosität« umzusetzen und die Menschen weit in den Block zu bringen, in dem das Gebäude liegt. Eine solche Strategie entfernt sich vom Hochkultur-Museum des letzten Jahrhunderts.

Bauen wir einen Schraubenzieher oder ein Schweizer Armeemesser? Versuchen wir, ein Ding gut zu machen oder schaffen wir ein Set von Werkzeugen, um viele Dinge machen zu können? Wie kann man das auf Museen anwenden? Was wir neu lernen müssen, ist möglicherweise die Art und Weise, wie wir Geschichten erzählen. Galerien können neue Arten des »storyellings« provozieren. Eines unserer frühesten Projekte war für Z33 House of Contemporary Art in Hasselt, Belgien, ein Beitrag für einen Wettbewerb, den SO-IL nicht gewinnen konnten. Die Idee war, mehrere Geschichten gleichzeitig zu erzählen, die sogar im Konflikt zueinander stehen konnten.

Das Vorbild für das Museum der Zukunft sehen Liu und Idenburg in Galerien-Vierteln (zB. Chelsea in Manhattan), wo jede einzelne Galerie einen Grad von Unabhängigkeit hat und sich als eine Einheit in einer urbanen Landschaft begreift, anstatt als Teil einer Top-down-Struktur sich im Konzert zu bewegen. Liu und Idenburg stellen das Museum in Frage, das alles kontrollieren und auf Dauer bewahren und sichern muss. Wie kann man in einer zunehmend instabilen Welt etwas stabil halten? Wie schafft man diesen Puffer zwischen der neutralen, perfekten, unveränderlichen Galerie, dem Museum oder Archiv und einer Welt, die sich ständig wandelt? An dieser Stelle spielt die Zeit eine wichtige Rolle. Es ist ganz natürlich für Architekten, auch über die Zeit nachzudenken, weil sich die Architektur immer entwickelt. Die Zeit reicht viel weiter wie das Leben eines Architekten oder eines Gebäudes oder einer Institution. Materialien leben weiter in hunderten von Jahren. Die meisten Gebäude hingegen überdauern die Funktionen, für die sie gebaut wurden. Ein Stück Architektur sollte deshalb ein Jahrhundert von Ideen beherbergen. Wir brauchen als Architekten ein Verständnis der Zusammenarbeit mit anderen Zeitlichkeiten und anderen Kulturen. Es braucht mehr Vertrauen zu sagen, wir alle sind Teil eines größeren Ganzen. Nur wenige Institutionen können sich den Luxus leisten, sich auf eine langsamere Zeit einzulassen. Museen gehören dazu.

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