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ArchPhilo WS 2023-24 / Das Museum als Spielplatz für alle.

THESE 16: Das Museum als Spielplatz für alle.

András Szántó: Imagining the Future Museum. 21 Dialogues with Architects, Berlin 2022, S. 117-127.

Das Konzept »Öffentlicher Raum«

András Szántó spricht mit Minsuk Cho von Mass Studies, Soul

Asien ist im 21. Jhrt. zu einem fruchtbaren Boden geworden für Museen, obwohl die kulturellen und sozialen Entwicklungen sehr stark variieren auf dem großen Kontinent. Korea ist ein gutes Beispiel für diese dynamische Entwicklung. Das Land ist bekannt für seine ökonomische Stärke, aber auch im kulturellen Bereich ist es zu einem internationalen Zentrum geworden. Die Demokratisierung des Landes hat zu einer stärkeren Konzentration auf die Kunst geführt. Kunst gehrt heute zur zivilen Gesellschaft, die ihrerseits aus der Achterbahn des schnellen Wandels hervorgegangen ist. Minsuk Cho ist ein koreanischer Architekt, der die kulturelle Entwicklung seines Landes mitgestaltet hat, im Spektrum von Graswurzelbewegungen über kommerzielle Galerien bis hin zu großen öffentlichen Museen.

Das Büro von Minsuk Cho hat mittlerweile fast dreißig Projekte zum Typus Ausstellungsraum gemacht und jedes ist einzigartig. Einer der ersten Aufträge war eine Stadtinitiative, ursprünglich eine Filmgalerie in einem sechs Meter breiten, siebzig Meter langen, nicht genutzten U-Bahn-Abschnitt, der einer Organisation von jungen, unabhängigen Filmemachern zugewiesen wurde. Diese jungen Leute wollten keine einfache Ausstellung von alten Filmpostern entlang der U-Bahn-Passage, sondern einen Veranstaltungsort für ein Indie-Film-Festival, mit einem Erziehungsprogramm und anderen Elementen, zusammen mit Ausstellungswänden. Sie nannten es den Chungmuro Intermedia Playground. Daraus ist die Ideen entstanden, ein Museum als eine Art Spielwiese für alle zu betrachten.

Diese frühen Experimente führen schließlich zum Danginri Power Plant Complex zu sein, Seouls Antwort auf die Tate Modern. Eingezwängt zwischen einer Autobahn und einem Komplex von Hochhäusern liegt eine frühere Fabrik, die Minsuk Cho nutzen möchte, um vibrierende kulturelle Aktivitäten zu entfalten. Es geht also um die Wiederverwendung einer alten Struktur und die seltene Möglichkeiten, einen großzügigen öffentlichen Raum zu schaffen. Lina Bo Bardis MASP und die SESC Pompéia Factory in Sao Paulo sind die Inspirationsquellen des Architekten. Beim SESC wurde ein Industriegebäude in eine Bibliothek verwandelt und in einen Ausstellungsraum mit einem Theater. Eine weitere Quelle ist der Fun Palace von Cedric Price, der genauso einen Spielplatz für alle öffnen möchte.

Das Internet hat dem Architekten zufolge die falsche Hoffnung des offenen Austauschs geschürt, tatsächlich aber in ein »Algorithmen-Ghetto« geführt. Das Museum hat im Unterschied dazu die Möglichkeit, einen wirklichen öffentlichen Raum zu anzubieten. Die Architektur schafft das mit Raum, Haptik und Ton. Sie kann starke und mächtige Gefühle im Menschen ansprechen. Der Raum des Museums besteht immer aus zwei Komponenten, einer statischen und einer fluiden, dynamischen. Man muss die Ströme kontrollieren, um zu einem Punkt zu gelangen, an einen bestimmten Ort, der Menschen in die Schwebe versetzen kann. Zugleich muss man aber auch ein Gefühl erzeugen, als wäre man als Besucher in einem Wohnzimmer, auch wenn man sich mit hundert anderen Leuten im gleichen Raum befindet. Das nennt Minsuk Cho die »kollektive Intimität«. Jeder sollte sich Zuhause fühlen. Architekten können dem Raum entwerfen, der wirklich einladend ist und großzügig, sodass sich jeder zugehörig fühlen kann.

Das Museum wurde häufig wie ein Luxusgut betrachtet, was eine große versäumte Möglichkeit bedeutet. Es sollte sich einsetzen für die ganze Ökologie einer Stadt und der natürlichen Welt. Vieles hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten bereits geändert. Museen sollten in der Zukunft aber noch partizipativer, mehr noch eine öffentliche Plattform oder eine Spielwiese für das Erlernen neuer Dinge werden. Anstatt in die Schule zu gehen, wird man in Zukunft in Museen gehen, wo es einen immersiven Raum gibt, an dem jeder teilnehmen kann auf eine weniger gebundene Art und Weise, aber fokusierter. Dafür wird es mehr Bedarf geben, weil wir länger leben werden und ständig neu dazulernen müssen in einer sich schnell verändernden Welt.

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