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ArchPhilo WS 2023-24 / Dieser Ort ist wesentlich für die Bildung eines Menschen

THESE 20: Dieser Raum ist wesentlich für die Bildung eines Menschen.

András Szántó: Imagining the Future Museum. 21 Dialogues with Architects, Berlin 2022, S. 44-53.

Das Konzept »neuer öffentlicher Raum«

András Szántó spricht mit David Adjaye von Adjaye Associatives, London, New York City, Accra

Wer die Arbeitsweise von Künstlern in ihren Ateliers kennt, ist erstaunt darüber, wie sehr sich diese Realität von der Wahrnehmung in einem Museum unterscheidet. Vieles von der Offenheit, der Unordnung, ist bereinigt und ausgelöscht. Warum ist das so? Weil sich die Geschichte des Museums von der Geschichte der Kunst unterscheidet, meint David Adjaye. Das Museum ist ein politisches Projekt. Seine dunklen Wurzeln reichen in die koloniale Vergangenheit zurück, in eine imperiale Phase der Geschichte. Das Museum setzt wunderbare Assoziationen mit der Aufklärung frei, aber es hat auch zu tun mit Macht und dem Imperium. Beides wird im Museum wie die Unordnung des Künstlerateliers ausgeklammert. Für Adjaye ist das Museum ein »typologisch beflecktes Projekt, ein verwundetes Tier vom ersten Tag an«. Es feiert etwas, worüber man eigentlich traurig sein sollte: die gezielte Zerstörung einiger Gesellschaften. Doch die Idee, Wissen zu teilen, findet er grundsätzlich schön. Letztendlich ist das Museum eine Maschine, die den Menschen etwas über die Welt beibringt.

Anhand des Edo Museum of West African Art, das wohl ambitionierteste Museumsprojekt auf dem afrikanischen Kontinent und seiner zentralen Rolle in der gegenwärtigen Debatte um die Rückerstattung von Kulturgütern, erklärt Adjaye, welche Rolle das Museum in Zukunft in Afrika spielen kann. Das koloniale Projekt hat dort die physische Struktur zerstört. Was von der ursprünglichen Kultur geblieben ist, sind die Objekte, über deren Rückerstattung man gerade spricht. Die Grundidee des EMOWAA ist, dass es die Rückerstattung den Gemeinschaften, die sie einst besaßen, erlauben würde, ihre ganz eigene Form der Emanzipation zu aktivieren - und sie damit Rechenschaft darüber ablegen könnten, wer sie in der Gegenwart sind.

Das nächste Jahrhundert wird vermutlich dem Museum in Afrika gehören. Dort ist es ein Mittel zur Wiederbelebung der Identität des Kontinents als Bewahrer und Gestalter einer neuen Beziehung zu den ererbten Artefakten. Das Museum kann auch für eine neue architektonische Identität stehen, für eine neue Vorstellung von der Stadt und der Zivilisation in der modernen Welt. Als spezifisch afrikanische Typologie kann es die Stadt wiederbeleben und ein Kondensator mit kulturellem Potenzial sein. Man kann zudem das Museum zu einem Bezugspunkt dafür machen, wie man über Wachstum nachdenkt.

Das Internetzeitalter hat das Museum entscheidend verändert. Museen sind lange die Antwort darauf schuldig geblieben, aber jetzt müssen sie einfach antworten. Adjaye sieht zwei dominante Trends, die Ehrfurcht vor den heiligen Tropen einer bestimmten Welt und - mit der Explosion des Museums in den privaten Bereich - eine Tendenz zu mehr Offenheit und Vielfalt. Entscheidend ist aber die Auflösung der monolithischen kollektiven Formen. Das Wunschbild ist für Adjaye das Museum als ein Knotenpunkt in einem globalen Netzwerk, das aus einer Weltkultur heraus entsteht und nicht wieder nationale und koloniale Narrative wiederholt.

Das Museum muss vom Sockel der Hochkultur heruntersteigen und in die Alltagskultur hineinwachsen. Das Museum ist das kulturelle Gemeinschaftszentrum einer jeden Ansammlung menschlicher Wesen - ihr Forum, ihr Empfangsraum und ihr öffentlicher Raum. Adjaye macht ein interessantes Beispiel dafür, was ein Museum besonders macht. Das Sir John Soane’s Museum in London beinhaltet die Idee des Museums als das Haus einer einzelnen Person, mit der Darstellung einer besonderen Geisteshaltung, die in einem ganz bestimmten Kontext entstanden ist. Diese Besonderheit hat mehr Charm und Anziehungskraft; es erzeugt ein größers Engagement und ein tieferes Bedürfnis zu lernen als es die meisten Museen heute tun. Die Vorstellung, in dieses Haus eingeladen zu werden ist interessanter für den Architekten als der Besuch einer generischen Institution.

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