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ArchPhilo WS 2023-24 / Ein Kreis schließt sich

THESE 19: Ein Kreis schließt sich

András Szántó: Imagining the Future Museum. 21 Dialogues with Architects, Berlin 2022, S. 254-263.

Das Konzept »Anthropozän-Museum«

András Szántó spricht mit Kabage Karanja & Stella Mutegivon Cave_bureau, Nairobi

Unter dem Titel »Anthropozän-Museum« formulierten Karanja und Mutegi 2014 die Gründung von Cave_bureau, nachdem beide aus ihren normalen Jobs als Architekten in einem großen Wirtschaftsbüro entlassen wurden. Eigentlich entwerfen die beiden immer noch Beton-Wolkenkratzer und Luxussiedlungen in Nairobi, aber mit ihrem Museum »verstecken sie ihre Sünden« und erwähnen daher diese andere Arbeit nicht. Für sie ist die Durchführung großer kommerzieller Architekturprojekte eine finanzielle Voraussetzung für die Durchführung kultureller oder nachhaltiger Projekte. Das ist nicht ideal.

In Afrika ist das Museum ein Problem. Es ist eine Institution, die aus der Perspektive der Kolonialherren entstanden ist. Im Kontext des Kolonialismus erscheint das Museum nicht als harmlose Einrichtung, in der einfach schöne Objekte ausgestellt werden. Kulturgeschichtlich betrachtet hatte Afrika nie Museen, sondern Artefakte, Rituale und Objekte, die nicht für die Ausstellung gedacht waren. »Museum« ist für Afrika fast ein Fremdwort. Das afrikanische Äquivalent des Museums war auf das Leben und die Echtzeit-Existenz ausgerichtet, wo Kindern beigebracht wurde, was es bedeutet, in einer realen Umgebung und in einem gemeinschaftlichen Umfeld zu leben.

Kabage Karanja & Stella Mutegi von Cave_bureau haben das Gefühl, dass sich der Kreis schließen wird. Angesichts der Krisen unserer Zeit, der Pandemie und der Zerstörung der Umwelt, ist es sinnvoll, dass Institutionen die indigenen Praktiken als Zentren der Wissenproduktion anerkennen und unsere Existenzweise neu überdenken. Das Museum, von dem die beiden sprechen, ist kein Ort der schönen Dinge, sondern vielmehr ein Verhandlungsort der unangenehmen Dinge. Zur Hardware ihres Anthropozän-Museums gehört seine geologische Gründung. Das wird deutlich beim Projekt am Mount Suswa, einem aktiven Vulkan im Great Rift Valley in Kenia, wo es um die Nutzung von Erdwärme ging. Die Regierung von Kenia und internationale Organisationen, wie die Weltbank und die UNO, grenzten die lokale Bevölkerung vom Nutzen des Projektes aus. Karanja & Mutegi brachten wichtige Institutionen dazu, mit den Gemeinschaften vor Ort zu sprechen. Die Treffen dazu fanden allesamt in Höhlen statt. Es ist wichtig, dass Museen einen Blick auf Kultur und Gesellschaft werfen und komplizierte Themen hinterfragen, die sich auf die natürliche Umwelt und die Menschen, die dort leben, auswirken. Das Museum ist eine Linse, die Probleme sichtbar macht.

Im Herzen der Architekten von Cave_bureau stehen Menschen. Es sind jene Menschen, die in der Regel im vorherrschenden Diskurs, auch in Diskussionen über Kunst und Kultur, ausgegrenzt werden. Sobald Museen zentralisiert sind, geht es darum, was man bereits aus den Gemeinschaften herausgeholt und in das sogenannte Museum mit seiner großartigen Architektur gebracht hat. Sobald man aber diese Zentralisierung aufhebt, öffnet man das Museum für den gesamten nuancierten Kontext, in dem es sich befindet.

Die Architekten führen Diskussionen mit den Gemeinschaften vor Ort. Das ist die Quintessenz ihres Tuns. Im Grunde geht es nicht darum, den neuesten Trends in einem Kuratorenprogramm zu folgen. Museen sind selbst problematische Akteure in der Anthroposzene. Deshalb kehren Karanja und Mutegi instinktiv in die Höhlen zurück, um eine Distanz zu gewinnen und sich die Zukunft neu vorzustellen zu können. Die Höhle ist die »Kulisse für die Ursprünge der Menschheit«, wie das Studio es ausdrückt. Sie ist ein Ort der Heilung und sie führt in die Zeit vor dem Anthropozän und zu einem Zustand vor der »Architektur, die die allerersten Menschen kannten« zurück. Tatsächlich liegen die Höhlen um Nairobi dort, wo man die Wiege der Menschheit vermutet, wo also die ersten Hominiden lebten. Das Museum der Zukunft sehen die beiden Architekten nicht in einem Gebäude, mit dem man Wettbewerbe gewinnen kann, sondern in einer kreativen Art und Weise des Kuratierens. Sie sehen ihre Neuinterpretation des Museums als kritische Iteration des Museums der Zukunft, im Zeitalter der Krise, dem sogenannten Anthropozän.

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