THESE 7: Unsere Geheimwaffe ist die Natur
András Szántó: Imagining the Future Museum. 21 Dialogues with Architects, Berlin 2022, S. 170-180.
Das Konzept “Licht-Institution”
András Szántó spricht mit Li Hu und Huang Wenjing von OPEN, die in China spektakuläre Museumsprojekte realisiert haben. In westlichen Ländern ist das kaum möglich, weil es zu viele Auflagen und zu viele Shakeholders gibt. In China hingegen baut man große Museen oft ohne Institution und ohne eine Sammlung. Dort müssen Architekten häufig zuerst den Auftrag entwerfen, bevor sie mit ihrem Projekt beginnen. Sie betrachten das aber nicht mit Zynismus, sondern versuchen sie, diese unerwarteten Freiheiten in visionäre Projekte zu übersetzen.
In den letzten zwanzig Jahren hat sich nicht nur die Welt im Allgemeinen dramatisch verändert, sondern auch die Kunstwelt im Besonderen. Leider hat sich das Museum nicht auf die gleiche Weise verändert, vielfach ist es beliebig geworden. Irgendwie kann heute - so lautet das Resümee der Architekten - alles ein Museum sein. In China, in dem die Innovation in der Architektur mit der Erneuerung der Gesellschaft zusammenfällt und sich die Gesellschaft gerade neu erfindet, sind die Menschen bereit, das Museum neu zu erfinden. Architekten wollen mit den Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen, Dinge anders und neu machen, bzw. den Museen eine neue Bedeutung geben. Um das zu tun, muss man aber wissen, was das Museum eigentlich ist. Will man das Museum verändern, so muss man es zuerst beherrschen, sagen Hu und Wenjing.
Obwohl sie mit spektakulären Museen für Aufsehen gesorgt haben, wissen sie nicht, ob es sich ihren Projekten noch um Museen handelt, nicht beantworten. Oder besser: Sie wollen es gar nicht wissen. Sie folgen nicht der etablierten westlichen Museumstypologie, sondern arbeiten mit offenen Typologien, um völlig neue Ansätze zu verwirklichen. Bei ihrem Sun Tower wurden sie gar nicht damit beauftragt, ein Museum zu entwerfen, sondern ein Gebäude, das einfach kulturelle Aufgaben in einem neu erschlossenen Gebiet übernehmen könnte. Das Ergebnis ist ein Turm, der direkt am Meer steht, in bester Lage, wo man jeden Tag den Sonnenaufgang neu erleben kann. Man kann ihn über den Vordereingang betreten oder einfach als Jogger auf den Campus laufen, ohne ohne überhaupt zu realisieren, dass man sich bereits im Museum befindet. Das Dune Museum ist angelegt als das Höhlensystem unter den Dünen am Meer und kann damit von verschiedenen Stellen aus betreten werden. Sind das noch Museen?
Häufig ist es bei Museumsbauten immer noch so, dass sie Menschen abschrecken und suggerieren: Dieser Raum ist nichts für dich! Hu und Wenjing sehen ihre Aufgabe darin, in Zukunft noch demokratischere und offenere Museen zu bauen, die offen sind für alle und eine gewisse Leichtigkeit erreichen, die einladend ist. Sie arbeiten an einem Museum ohne Grenzen und führen dafür das Konzept der »Licht-Institution« ein, nicht um die etablierten Museen mit ihrem Personalaufwand, ihren Programmen und Abläufen abzulehnen, sondern um auf eine neue Art und Weise am Konzept des Museums arbeiten zu können. Es geht dabei um ein Museum, dass ein Prozess werden kann mit offenem Ausgang. Eine Idee ist, Museen so weit zu öffnen, dass sie zu Parks werden, in denen man frei herumwandern kann. Bei Tank Shanghai ist das ihrer Ansicht nach schon jetzt der Fall. Besucher, die dorthin gehen, glauben in einem Park zu sein und nicht in einem Museum. Dann entdecken sie, dass es dort Ausstellungen gibt, und sie entschließen sich dafür, in diese einzutreten. Eine andere Idee ist, offene Räume zu schaffen, die auch flexibel genug sind, um die ständig neuen Technologien aufnehmen zu können. Damit wollen die beiden Architekten mit der konventionellen Vorstellung eines Museumsbrechen. Was verbindet all ihre Projekte?
Als ihre »Gemeinwaffe« sehen sie die Natur. Trotz aller technologischer Erneuerung wird sich das menschliche Sensorium nicht grundlegend ändern, dh. Museen werden auch in Zukunft Gefühle und Sinne der Menschen ansprechen müssen. Dune, der Tank, das Pudong Museum of Art, der Iceberg (Maritime Museum), oder den Sun Tower - was die Menschen in all diese Museen bringt, ist die stärkste Attraktion überhaupt, die Bindung zwischen Mensch und Natur. Ein Museum funktioniert eigentlich am besten, wenn es an der Grenze zwischen der Natur und der Welt des Menschen angesiedelt ist. Diese Schnittstelle schafft das ganze Potenzial eines Museums.