THESE 3: WO BEGINNT EIN MUSEUM UND WO HÖRT ES AUF?
András Szántó: Imagining the Future Museum. 21 Dialogues with Architects, Berlin 2022, S. 54 -63.
Das Konzept “Placemaking”
András Szántó führt ein Gespräch mit Kerstin Thompson von Thompson Architects. Am Anfang kreist das Gespräch rund um das Bundanon Art Museum & The Bridge for Creative Learning, das im australischen Busch in New South Wales errichtet wurde. Die Architektin erzählt von der besonderen Landschaft dort, die regemäßig von Feuersbrünsten und Überschwemmungen heimgesucht wird. Die Architektin reagiert auf die landschaftlichen Gegebenheiten, indem sie das Wissen der Aborigines respektiert und auf dieser Grundlage den Entwurf ansetzt. Einerseits ist das Museum unterirdisch angelegt, um die Kunstwerke vor dem Feuer zu schützen, der Bereich, in dem Künstler einquartiert sind, ist in Form einer Brücke ausgeführt, die über die hügelige Landschaft führt und vor möglichen Überflutungen schützt. Das Museum ist Teil eines erweiterten Begriffs der Landschaft, die sich vom Maßstab der Umgebung bis zu den Innenräumen als Kontinuum aufspannt. Das Denken in Zwischenstufen und Grauzonen führt die Architektin dazu, Architektur nicht mehr als das schöne Ding in einem pittoresken Setting zu sehen, sondern als einen Prozess, der zu Fragen zwingt. Jedes Museum ist eine Brücke in eine andere Welt, sei es in eine Welt der Fantasien oder Fakten, oder es führt in andere Zeiten, in eine vergangene oder künftige, eine der Kunst, der Wissenschaft, des Kuriosen usw. Thompsons The Bridge führt aus dem Werk eines Künstlers – ja, wohin eigentlich? Nirgendwohin, wie sich zeigt, nur zu sich selbst. Der schwarze Bau orientiert sich an Eisenbahnbrücken im Land, das filigrane Geflecht aus stählernen Trägern führt über ein sanftes Tal ins Nichts. Der Besucher landet auf einer Aussichtsterrasse. Wo beginnt eigentlich ein Museum und wo hört es auf?
Diese Frage versucht Thompson in mehreren Anläufen im Gespräch mit András Szántó zu beantworten. Sie bezieht sich auf Museen wie das Centre Pompidou und das Palais De Tokyo in Paris, die sie als gelungenes Beispiel dafür sieht, wie man die Trennung von Räumen der Geselligkeit und jenen der Ausstellung von Kunst aufheben könnte und wie man den Übergang vom Milieu des Museums zu einem nicht-musealen Kontext fließend gestalten könne. Das The Windsor Hotel in Melbourn, ein Hotelbau aus dem 19. Jhrt., erwähnt sie als Beispiel dafür, wie man Räumen neue Nutzungen geben kann. Macht man Hotelzimmer mit einfachen Mitteln zu Galerien und stattet man sie mit Kunst au, so entsteht eine faszinierende Möglichkeit, um Kunstwerke außerhalb des konventionellen Kontexts betrachten zu können.
Am Beispiel des Bundanon Museums geht die Architektin auf die Rolle der Landschaft ein. Der Besucher verlässt die Autobahn, kommt auf den Parkplatz, wird von dort über eine Brücke zum eigentlichen Museum geführt usw. Das Museum öffnet sich in immer neuen Facetten dem Besucher, es ist integraler Bestandteil einer kontinuierlichen Landschaft, die ihn führt. Anhand des Museums für Zeitgenössische Kunst der Monash Universität (MUMA) erläutert Thompson, wie man das traditionelle Modell eines Museums invertieren kann - das Innen zum Außen macht -, um so die Inhalte des Museums auch jenen Menschen zu vermitteln, die sonst eigentlich selten in ein Museum gehen. Der Entwurf für das MUMA wurde von der Idee geleitet, das Museum von einem suburbanen in einen urbanen Raum zu verlegen. Thompson schlug vor, mit dem Museum den gesamten Campus der Universtität neu zu definieren, das Programm in den Außenraum des Campus zu verlegen, um ihn zu aktivieren.
Es geht um das »placemaking«: Wie schafft man einen Ort? Wie verwandelt man ein Museum in einen Passagenraum, den man durchwandern kann ohne die herkömmlichen Grenzen erfahren zu müssen? Wie kann man das Museum als Instrument des placemakings einsetzen? Der Traum der Architektin ist ein Museum, das sie mit ihrem Hund an der Leine durchwandert. Während man das Museum im 20. Jhrt. noch bewusst außerhalb des Alltagslebens positionierte, um es mit einer besonderen Mission auszustatten, sieht Thompson die Aufgabe der Architekten heute darin, das Museum wieder im Alltagsleben der Menschen zu verorten.
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