Das Museum als Inkubator
Das Museum der Zukunft beinhaltet die Abkehr von der Ikone, dem Museum als Designobjekt. Es ist eine lokale Lösung und ein integraler Bestandteil der sozialen und kulturellen Infrastruktur eines Ortes. Das Museum der Zukunft setzt der Ikone, die überall gleich gut funktioniert, die Idee entgegen, dass Lösungen aus dem örtlichen Kontext heraus entwickelt werden müssen. Deshalb ist es nicht abstrakt und exklusiv, sondern eine Plattform für gesellschaftliche Debatten über die Zukunft des Wohnens im ländlichen Raum, Strategien der Dorfentwicklung oder Eingriffe in die Natur usw. Das Museum der Zukunft ist ein Hybrid von sozialen und kulturellen Berührungspunkten. In seinem Zentrum steht der Konflikt. Statt ein leeres Feld zu sein oder ein Fluchtraum aus dem Alltag, kann das Museum zum Motor für soziale, wirtschaftliche, energetische oder sogar kulturelle Identitätsbildung werden, der sich selbst in Bewegung hält. In der Regel blicken Museen zurück in die Vergangenheit. Beim »Museum der Zukunft« ist das anders. Es ist ein konzeptionelles Fenster, das keine Identitäten fixiert, sondern Plattform, Kontaktzone, Forum und Arena ist für die Auseinandersetzung mit den Fragen der Zukunft.
Das »Museum der Zukunft« sollte Möglichkeiten der Interaktion zwischen den verschiedenen Akteuren (Mensch, Tier, Pflanze usw.) schaffen, neue Formen des Wissens und Handelns eröffnen, um Handlungskompetenz zu vermitteln. Es sollte viel demokratischer sein als das bestehende Museum, Schwellenängste abbauen und möglichst alle ansprechen. Das Museum wird als kulturelle und soziale Institution nicht überleben, sollte es sich nicht grundsätzlich weiterentwickeln. Wie müssen Hard- und Software des Museums der Zukunft beschaffen sein? Wie kann man Museen flexibler, poröser, kulturell und sozial verantwortungsvoller machen? Wie könnte das Museum aussehen, als greifbare Struktur und als Ort mit besonderen Eigenschaften? Was kann ein Museum der Zukunft heute noch sein?
Die Architektur hat gute Voraussetzung dafür, diese Fragen zu beantworten, weil sie eine »assemblierende« Disziplin ist, die Dinge zusammensetzt. Der Entwurf erzeugt ein Konglomerat von Projekten, Politiken, Technologien, Infrastrukturen, Gebäuden, Landschaften usw. Er drückt aus, wie Figuren im Raum und Abfolgen in der Zeit entstehen, wie sie Rhythmen bilden, Konflikte lösen, aber auch neue Konflikte setzen, um Neues entstehen zu lassen. Imaginiert man das Museum der Zukunft als einen Inkubator für Neues, so sollte man eine kreativen Vorstellung davon haben, wie all diese Elemente zusammenwirken. Das Museum der Zukunft ist ein dynamischer Versammlungsort und keine Ikone.
Wahrscheinlich werden die Menschen, die in Zukunft vermehrt mit ökologischen Krisen konfrontiert sind, eine andere Sichtweise auf die Zeugnisse früheren Lebens haben als wir es heute tun. Die Folge daraus muss aber nicht sein, dass die »radikale Ökologie«, wie Krzysztof Pomian meint, zum Ende des Museums führt. Das Museum kann selbst zur Plattform werden, auf der die Konflikte ausverhandelt werden. Der Gedanke, dass der Konflikt im Zentrum eines Projekts steht, ist die Kernidee der radikal-demokratischen Ansatzes von Mouffe und Laclau. Wird dieser Konflikt nicht gelöst, so verlagert er sich. Wenn die institutionalisierte Politik Probleme nicht löst, artikuliert sich das Politische ansderswo, zB. auf der Straße.
Das Museum ist genauso eine technische wie kulturelle Aufgabe, eine politische und poetische, eine wirtschaftliche und künstlerische sowie gleichzeitig eine soziale und individuelle. Statt ein leeres Feld zu sein oder ein Fluchtraum aus dem Alltag, kann das Museum zum Motor für soziale, wirtschaftliche, energetische oder sogar kulturelle Identitätsbildung werden, der sich selbst in Bewegung hält. Welche Eigenschaften sollten wir dem Museum der Zukunft geben?
Ein Museum auf dem Land
Wer über das »Museum der Zukunft« nachdenkt, sollte auch an die Zukunft des Landes denken. Bislang wurde die Urbanisierung durch Landflucht, neue Arbeitswelten und demografischen Wandel beschleunigt. Heute zeichnet sich allerdings eine Trendwende ab: Das Land wird zu neu- en Zukunftsraum. Die ländlichen Kontexte werden nicht mehr nur nostalgische Sehnsuchstort sein, sondern zeigen überraschend progressive und zukunftsfähige Orte, Projekte, Strukturen und Lebensstile auf. Dort bilden sich eigene kreative Mini-Hubs und glokale Netzwerke, sowie Orte progressiver neuer Sozialstrukturen. Die Dichotomie von Stadt und Land löst sich mehr und mehr auf. Die urbanen Lebensstile sind mit den Neuen Medien und den Infrastrukturen in die hintersten alpinen Täler vorgedrungen. Die Megatrends Konnektivität und Mobilität haben die städtischen und ländlichen Kontexte enger miteinander verwoben. Mit dem zunehmend vereinfachten Zugriff auf Information ist Zentralität nicht mehr geografisch definiert. Im Prinzip kann jedes Dorf zum Zukunftsort werden, in dem Lösungen entwickelt und gelebt werden.
Innovative Kräfte, die im und für den ländlichen Raum entstehen, lassen eine neue Perspektive zu: eine Infrastruktur, die nicht über Dichte definiert wird, sondern um die Bedürfnisse des Individuums konzipiert ist. Die Freiräume des Landes bieten Platz und Ressourcen zum Experimentieren. Schon heute zeichnen sich in glokalen Energiemodellen, intermodalen Mobilitätskonzepten und progressiver Telemedizin diese neu gedachten Infrastrukturen ab. Durch die Stärkung der dörflichen Strukturen, die Wiederbelebung des Dorfkerns und die Öffnung nach außen entstehen neue Resonanzpotenziale – für die Bewohnerinnen und Bewohner, aber auch für Touristinnen und Multilokalisten. Neue Nutzungskonzepte für leer stehende Gebäude, Co-Working-Spaces für Einwohner und Besucherinnen sowie Workation-Angebote gehören dazu.
Das Gschnitztal braucht keine Ikone, die sich auf sich selbst zurückzieht, sondern ein Museum, das mit seinen Forderungen einer kritischen Generation entgegenkommt, die sich den Themen von Klimagerechtigkeit und gerechter Verteilung von Raum stellt. Das Museum der Zukunft ist ein lokal verortetes Projekt als Teil der sozialen und kulturellen Infrastruktur. Es ist nicht generisch, sondern 100%ig spezifisch, dh. es ist kein Modell, das beliebig oft wiederholt und überall auf der Welt eingesetzt werden kann, sondern funktioniert an einem konkreten Ort unter bestimmten Voraussetzungen. Dem spektakulären Gebäude setzt es die Idee en- tgegen, dass es primär darum geht, Dinge in eine bestehenden Landschaft oder einen Kontext einzufügen und ihnen damit eine Wert gibt.
Das Museum als „opera aperta“
Die Erkenntnis, dass es kein Rezept für das »Museum der Zukunft« geben kann, ist alles andere als banal, weil sie auf die prinzipielle (Un-)definierbarkeit des Museums verweist. Wir werden auch in Zukunft noch Museen bauen, aber andere. In den letzten Jahren haben sich die Welt dramatisch verändert, das Museum aber leider nicht. Wir werden die Probleme, vor denen wir stehen, nicht ein für allemal lösen, aber wir gewinnen ein- en Vorteil, wenn wir ihnen offen gegenübertreten. Umberto Eco vergleicht die Musik von Bach mit Kompositionen der E-Musik seiner Zeit. Das Musikstück von Bach ist genau bestimmt, abgeschlossen und in seiner konkreten Ausführung programmiert. Natürlich wissen wir alle, dass eine Fuge von Bach sehr unterschiedlich gespielt werden kann; und doch wird sich an ihr im Kern nichts ändern, selbst wenn wir miteinbeziehen, dass der Pianist bei einigen Tasten danebengreift. Dieses Kunstwerk ist »geschlossen«. Anders dagegen sind die »offenen Kunstwerke«, die sich der Aneignung durch einen Interpreten oder ein Publikum öffnen. Könnte das auch für ein Museum gelten? Was kann eigentlich im 21. Jhrt. ein Museum sein? Eine ständige Einrichtung oder ein vielstimmiger Raum? Gewinnorientiert oder nicht? Ist es eine neue Öffentlichkeit oder den Interessen einer kulturellen Elite gewidmet? Bilden Museen ihr Publikum, oder fördern sie das Verständnis der Welt? Ist das Museum ein Ort, wo Artefakte ausgestellt werden oder eine Plattform für gesellschaftliche Debatten?
Häufig begründet man die Entscheidung für eine offene Typologie mit dem Hinweis auf die Globalisierung, den Wertewandel und die zunehmende Individualisierung. Als wesentliches Mittel, um darauf zu reagieren, wird die offene Gestaltung von Prozessen und Institutionen genannt. In turbulenten Zeiten ist es die Aufgabe der Architektur, maßgeschneiderte Antworten auf politische, soziale und klimatische Anforderungen zu finden. Gebäudetypologien werden häufig neu gedacht, um Werkzeugen zu erhalten, die im jeweiligen Kontext differenzierte Antworten auf komplexe Fragestellungen ermöglichen. Beim Entwurf eines »Museums der Zukunft« könnten z.B. auch a-typische Typologien ins Spiel kommen. Andreas Lechner von der Universität Graz hat das Konzept der »kontraintuitiven Typologie« entwickelt, die im engeren oder weiteren Sinne eine Art von Umnutzung ist und den Widerspruch aus vertrauten Formen und Funktionen enthält: Typologien können eben auch unerwartet, bzw. kontraintuitiv ausfallen. Im Falle der Umnutzung eines Bauernhofes als Museum wird zB. deutlich, dass der Entwurf sowohl konservativ ist, weil er auf eine traditionelle Form zurückgreift, als auch kreativ, wenn er diese Lösungen den Gegebenheiten anpasst.
Offene oder kontraintuitive Typologien erweitern das Museum in Richtung des Kontexts. Damit ist nicht nur die Öffnung des Gebäudes mit großen Glasscheiben gemeint. Vielmehr soll das Museum so weit geöffnet werden, dass der Besucher durch es flaniert, ohne zu merken, dass er sich bereits in seinem Inneren befindet. Bei Tank Shanghai ist das der Ansicht der beiden chinesischen Architekten Li Hu und Huang Wenjing nach schon jetzt der Fall. Die Besucher wähnen sich in einem Park und finden sich inmitten eines Museums. Das Dune Museum, der Tank, das Pudong Museum of Art, der Iceberg (Maritime Museum) und Sun Tower der beiden Architekten haben eine Gemeinsamkeit: Was die Menschen in diese Museen bringt, ist die stärkste Attraktion überhaupt, die Bindung zwischen Mensch und Natur. Ein Museum funktioniere nach Ansicht der beiden Architekten am besten an der Grenze zwischen der Natur und der Welt des Menschen.
Das Museum kann als Hybrid »unerwartete Nachbarschaften« entstehen lassen. Das ist eine seiner wichtigsten Qualitäten, denn auf diese Weise gelingt es ihm, Begegnungen zu ermögliche, die im Allt- ag der Menschen sonst nur selten oder gar nicht zustande kommen. So könnten sich an der Schnittstelle von betreutem Wohnen und den Co-Working-Bereichen ältere und jüngere Menschen treffen oder im Naturgarten des Museums Laien und Experten usw. So entstand das Konzept des »Living Museums« ur- sprünglich als eine Bewegung, die sich der Verbreitung von Kunstasylen für psychisch kranke Menschen widmet. Authentische Kunst wurde darin gleichzeitig geschaffen und ausgestellt. Der Terra-Viva Wett- bewerb rief dazu auf, eine Reihe von kleinen Unterkünften in der sardischen Landschaft, die zum Nivola Museum gehört, zu realisieren. Wie wäre es, wenn das Museum seinen Besuchern die Möglichkeit biet- en würde, tatsächlich darin zu wohnen? Wie könnte ein solches Programm in die Umgebung integriert werden? Unter den gleichen Vorzeichen könnte man verschiedene Funktionen, die das Dorf verloren hat (Gasthaus, Bäckerei, kleiner Laden usw. in einem vielfältigen Mix rund um die Hauptthemen Genuss, Bil- dung, modernes Unternehmertum und außergewöhnliche Beherbergung zusammenfassen.
Das Konzept der offenen Typologie beschränkt sich nicht auf ein einzelnes Gebäude. Auch die Verteilung des Museums in der Landschaft in Form eines Archipels aus kleineren Interventionen könnte damit gemeint sein. Entscheidet man sich für die offene Typologie, so gesteht man sich gleichzeitig ein, dass wir nicht alle Antworten auf die Fragen unserer Zeit kennen können. Die Frage sollte nicht sein, wie wir das perfekte Museum realisieren könnne, das alle Fragen ein für allemal beantwortet. Der Architekt Florian Idenburg meint deshalb, wir sollten uns als Architekten nicht an perfekten (geschlossenen) Typologien orientieren. Wir sol- lten uns von der Idee verabschieden, dass wir Projekte machen können, die vollständig und abgeschlossen sind. Die Alternative dazu sind sogenannte »Inkubatoren«, dh. Orte der Verhandlung und Debatte. Als Teil der Geschichte und Gesellschaft ist das Museum Teil eines umkämpften Terrains und es wird die Reinheit des abstrakten und zeitlosen »White Cube« nicht bewahren können. Als Beweis dafür zieht Idenburg die Tatsache heran, dass wir ja verschiedene Gebäude zu Museen machen: Geschäfte, Paläste, Fabriken, Brauereien oder Kirchen.
Die Entwürfe der Studierenden versuchten diesen offenen Charakter auch bei Projekten umzusetzen, die sich im Maßstab der Landschaftsarchitektur verorten. Sie analysierten fragmentierte, verschüttet oder vergessene Strukturebenen und schufen mit Hilfe eines Wegenetzes eine durchlässige Raumstruktur, sodass das Gschnitzal - so wie das Museum auch - als polyvalenter Raum (natürlich und künstlich, psychologisch und physisch, dörflich und rural usw.) betrachtet werden kann. So können die verschiedensten Besucher mit verschiedenster kultureller Prägung die Landschaft auf ihre Weise für sich in Wert setzen können. Kurz: Um dem Gschnitzal in Wert zu setzen, muss man es als offene Landschaft betrachten.
Ort: Aquarium Architekturtheorie
Termine
MI 06.03.2024 / 9.00 - 18.00 Uhr
Einführung
MI 13.03.2024 / 9.00 - 13.00 Uhr
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MI 20.03.2024 / 9.00 - 17.00 Uhr
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MI 24.04.2024 / 9.00 - 18.00 Uhr
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MI 08.05.2024 / 9.00 - 18.00 Uhr
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Florence Ripp
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MI 15.05.2024 / 9.00 - 18.00 Uhr
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(ohne Einteilung)
MI 22.05.2024 / 9.00 - 17.00 Uhr
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MI 05.06.2024 / 9.00 - 18.00 Uhr
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14.20-14.40 Uhr Gordon Stefanie
14.40-15.00 Uhr Hofer Jan
15.20-15.40 Uhr Ripp Florence
15.40-16.00 Uhr Klink Lynn
16.00-16.20 Uhr Braun Constanze
Ende ca. 17.00 Uhr
MI 12.06.2024 / 9.00 - 18.00 Uhr
Betreuung mit Christoph Siegele
Korrekturen:
9.00 - 9.30 Uhr: Frank Niklas
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12.30-13.00 Uhr: Gehm Alisa
Mittagspause 13.00 bis 14.00 Uhr
13.40 -14.00 Uhr Klink Lynn
14.00-14.20 Uhr Lynn Meier
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15.20-15.40 Uhr Ripp Florence
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16.00-16.20 Uhr Hofer Jan
Ende ca. 17.00 Uhr
MI 19.06.2024 / 9.00 - 18.00 Uhr
Abgabe Zeichungen!!
MI 26.06.2024 / 9.00 - 18.00 Uhr
Präsentationen
DI 02.07.2024 / ab 9.00 Uhr
Eröffnung Ausstellung / Präsentation der Arbeiten