Alle Skripten im Überblick
Themen und Termine
822157 Sonderkapitel der Architekturtheorie (SE 3,0 h/5,0 ECTS)
Das Seminar ist für Masterstudent*innen. Es ist Teil des Entwerfens (Vermittlung der theoretischen Grundlagen, Analyse und Ausarbeitung der Entwurfskonzepte) uns muss deshalb von den Student*innen, die das Entwerfen machen oder die Masterarbeit zum Thema “Museum”, besucht werden. Die Studierenden stellen im Seminar ihre Konzepte vor.
Natürlich ist steht das Seminar prinzipiell für alle Studierenden des Masterstudiums offen!!
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T1_ MO 02.10.2023
Einführung
11.00 Uhr
Ort: HSB 5
Ausgabe Analysethemen
T2_ MI 04.10.2023
Besprechung Aufgabenstellungen /Analyse
ab 11.00 Uhr
Ort: Studio Architekturtheorie
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Gruppe 1: Topographie
Termin: 11.00 Uhr
Lage- und Höhenplan des Gschnitztales. Geländeformen, wie Berge, Hügel, Böschungen, usw. Topographische Besonderheiten (Geländekanten, Bäche, Siedlungszonen), geologische Besonderheiten, Schutzbauten (Dämme), markante Grenzen in der Landschaft (horizontal/vertikal), natürliche und künstliche „Schwellen“ in der Landschaft usw. / Längs- und Querschnitt
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Student*innen:
Sophia Brunner
Lukas Rangger
Gabriel Seidl
Florian Mladek
Merita Hasani (a)
Leonie Thaler
Christian Kennel
Anne Reichart
Max Knoblach
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Gruppe 2: Naturraum
Termin: 11.20 Uhr
Gebiet der Gemeinden, Kartierung der Botanik, „Urgesteinsgrenze“ (Geologie), Biodiversität, Dynamik des Naturraumes (?!) Schutzzonen (Natur- und Landschaftsschutz)
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Student*innen:
Luigi Berthold
Simon Schweinstetter
Robin Pohl
Lara Stein
Radauer Anna
Fabienne Migga
Anna-Lena Feucht
Johanna Heep
Lena Jungmair (a)
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Gruppe 3: Kulturraum
Termin: 11.40 Uhr
Flächenwidmungsplan, Landwirtschaftliche Zonen, Sportzonen, Skilifte, Verbauungen, Siedlungen (Schwarzplan mit Transformationen) usw., besondere Typologien (Bauernhöfe), Almen … / historische Entwicklung des Kulturraumes (Pläne, Fotos, Texte, alte Bilder usw). / Freiräume und ihre Funktionen (zB. Friedhof, Spielplatz, Freibad usw.) / Nutzungsspuren im Freiraum / Gibt es Entwicklungskonzepte?
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Student*innen:
Florence Ripp
Maxime Lorenzoni
Luca Roelleke
Alexandra Zolothyk
Costanze Braun
Theresa Strittmatter
Wiktoria Sadlo
Jonathan Fleger
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Gruppe 4: Arbeit, Kultur und Soziales
Termin: 12.00 Uhr
Schule, Vereine, kulturelle Einrichtungen (nah und fern), Potentielle Netzwerke und Synergien, markante Gebäude (Schloss Schneeberg, Kirche, Schule usw.), Betriebe, Aufenthaltsräume (wo verbringen die Menschen ihren Alltag?)
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Student*innen:
Theresa Foidl
Johanna Maurer
Julia Pfeifer
Paul Schmidt
Karina Bergmann
Theresa Lamp
Manuela Patka
Philipp Meschik
Stefanie Plattner
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Gruppe 5: Infrastrukturen
Termin: 13.00 Uhr
Verkehrsplan, Wegenetz, Schnitt durch das Gschnitztal, Kartierung des „Bergsteigerdorfes“
Einflussbereich: Gschnitztal und seine Anbindung (Tourismusströme…) / Einzugsgebiet und Erreichbarkeit
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Student*innen:
Lukas Kennerknecht
Erik Sitka
Katharina Rauch
Tillman Padberg
Niclas Plötzeneder
Laura Speckl
Christoph Kogl
Alex Behelfer
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Gruppe 6: Leerstand
Termin: 13.20 Uhr
Karte zum Leerstand (Trins und Gschnitz) im geeigneten Maßstab / Schwarzplan der Dörfer mit Zoom im Hauptort Trins (Treppen, Böschungen, Wege, usw.) / Eigentumsverhältnisse (privat und öffentlich)
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Student*innen:
Johanna Span
Katharina Hammerle
Gergana Takova
Laura-Marie Glas
Sophie Gruner
Lena Marie Jenn
Jasmin Zangerle
Nicola Kollreider
Anna Grätzer
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Gruppe 7: Tourismus (Karte der Sehenswürdigkeiten)
Termin: 13.40 Uhr
Tourismus-Zeitreihe (aus: Tirol-Atlas), Höhenweg, tour. Einrichtungen, Touren, „Bergsteigerdorf“, Bestand Hotelerie/Gasthöfe
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Student*innen:
Felix Hummel
Laura-Marie Kolbeck
Selma Hoffmann
Lara Wagner
Jonas Klett
Nina Ströter
Marina Angenend
Laura Manzl
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Gruppe 8: Kartierung der Besonderheiten des Gschnitztals
Termin: 14.00 Uhr
Schloss Schneeberg, „Tal der Hütten“, Krotenweiher, Moränenwall (Geologie), Adlerblick, Gschnitztaler Tanne (Oberlawieswald), St. Magdalena, Alpine Safety Area (ASA), Filmdorf, Mühlendorf, Flora und Fauna, Wasserfälle, Bergseen, „Wasserweg Gschnitztal“, „Blaser“, …
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Student*innen:
Würfl Walter
David Zauels
Franka Ruhnau
Lukas Plibersek
Irina Radeva
Aurora Scharmer
Stefanie Gordon
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Gruppe 9: Museen in Tirol
Termin: 14.20 Uhr
Karte mit allen Museen, Themenschwerpunkte (Legende), Analysen
Museumsportal des Landes Tirol (/kunst-kultur/kulturportal/museumsportal/)
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Student*innen:
Verena Gstrein
Johanna Sophie Prugg
Sebastian Augschöll
Tobias Oberparleiter
Verena Blasbichler
Gabriela Feiersinger
Carina Einkemmer
Sarah Rieder
Nina Mang
Pamina Pawlik
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Gruppe 10: Karte der unsichtbaren Dinge
Termin: 14.40 Uhr
Versuch einer kreativen Erkundung der Landschaft, neue Sichtweisen, kreative Zugängen
Landschaft als dynamisch-komplexes System … / Kartierung des Unscheinbaren
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Student*innen:
Yunus Özen
Lynn Meier
Lynn Klink
Hanna Ferstl
Sarah Zähringer
Leandro Brouschert
Francisco Praxmarer
Antonia Auer
Mine Öztürk
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Die Besprechung der Bestandsaufnahme und -analyse erfolgt im laufend im Entwerfen, jeweils am Mittwoch!
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T3_ MI 11.10.2023
Besprechung Unterlagen mit Alex Lenz
um 10.00 Uhr
Ort: Studio Architekturtheorie
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T4_ DO 19.10.2023
Ortsbesichtigung Gschnitztal
Treffen mit Bgm. Mario Nocker
Ort: Gemeindeamt Trins
Zeit: 10.00 -12.00 Uhr
Zug: Abfahrt Innsbruck: 8.19, Ankunft Steinach: 8.40 (alternativ: 8.49-9.10)
Busverbindung: Abfahrt Steinach: 9.16, Ankunft Gemeindeamt Trins: 9.23
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Treffen mit V.Bgm. Paul Wurzer
Ort: Mühlendorf Gschnitz
Zeit: 13.00 -14.30 Uhr
Busverbindung: Abfahrt Trins: 1053, Ankunft Gschnitz: 12.04
Rückfahrt: Abfahrt Gschnitz: 14.20, Ankunft Steinach: 14.38
Zug: Abfahrt Steinach: 14.50, Ankunft Innsbruck: 15.11 (alternativ: 15.20-15.41
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T5_ MI 25.10.2023
Präsentation Analysen
und Korrektur Kurzentwurf
Der Kurzentwurf sollte von einem Text ausgehen
Inhalt: Positionierung in der Landschaft / Dorf und Gebäudeform
Gruppe 1: 9.00 Uhr
Gruppe 2: 9.45 Uhr
Gruppe 3: 10.30 Uhr
Gruppe 4: 11.45 Uhr
Gruppe 5: 13.00 Uhr
Gruppe 6: 13.45 Uhr
Gruppe 7: 14.30 Uhr
Gruppe 8: 15.15 Uhr
Gruppe 9: 16.00 Uhr
Gruppe 10: 16.45 Uhr
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T6_ MO 06.11.2023
Ort: Studio Architekturtheorie
12.15 Uhr - 15.00 Uhr
Präsentation der Kurzentwürfe im Rahmen der Referate
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Referat 1
Das Museum als Ort der Empathie
Kulapat Yantrasast
Kulapat Yantrasast vertritt die Meinung, dass die Zeit der spektakulären Museen vorbei sei. Es gehe nicht mehr darum, bestehende Museen zu erweitern oder mit Glasflächen vermeintliche Transparenz zu suggerieren. Stattdessen sollte sich der Architekt auf den lokalen Kontext des Museums einlassen und die Menschen, deren Kultur gezeigt wird, ermächtigen (empowering). Museen sind Orte der Bürgerbeteiligung, um Menschen zu verbinden, Geschichten auszutauschen und gemeinsame Aktivitäten zu organisieren. Yatrasast setzt mit seinen Projekten das Konzept der Empathie konsequent um, indem er das Museum zu einer inklusiven kulturellen Plattform und sozialen Institution macht. Das Museum der Zukunft sollte kein reiner Ausstellungsraum mehr sein, sondern ein Hybrid aus sozialen und kulturellen Berührungspunkten, dh. es könnte mit bereits bestehenden sozialen Einrichtungen wie einer Schule, Wohnprojekten oder einem Altersheim Synergien bilden.
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In vielen Dörfern in Tirol ist es zum Sterben der traditionellen Gasthäuser gekommen, die multifunktionale Räume des Austauschs waren und soziale Plattformen. Wie könnte das Museum in die Rolle des traditionellen Gasthaus schlüpfen?
Wie kann man konkret ein Museum realisieren, dass die partizipativen Prozesse in den Mittelpunkt stellt? Welche Akteure müsste man berücksichtigen?
Wenn es um die Ermächtigung (empowering) der Menschen geht, sollte man sich auch überlegen, welches Wissen für das Museum relevant wird. Donna Haraway hat vom “situierten Wissen” gesprochen. Was ist damit gemeint und wie könnte man Formen eines “situierten Wissens” im Gschnitztal aktivieren?
Kulapat Yantrasast schlägt vor, das Museum mit einem Altersheim oder anderen sozialen Institutionen zu verknüpfen. Findet man im Gschnitztal das Potential für ein hybrides Programm? Wie könnte das Programm eines Museums im Detail aussehen, das zugleich ein Altersheim ist? Welche architektonischen Maßnahmen müssten ergriffen werden?
Das Museum als Ort der Empathie erzeugt eine Atmosphäre der Offenheit, Verantwortlichkeit und Identifikation. Mit welchen baulichen Maßnahmen lässt sich ein solcher Ort der Empathie erreichen?
Wo findet man den geeigneten Bauplatz für ein solches Museum im Gschnitztal?
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Student*innen:
Theresa Foidl
Johanna Maurer
Julia Pfeifer
Paul Schmidt
Karina Bergmann
Manuela Patka,
Stefanie Plattner,
Theresa Lamp
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Referat 2
Das Museum als Plattform der Freiheit
Paula Zasnicoff Cardoso & Carlos Alberto Maciel
In Brasilien sind in der Tradition der Moderne eine Reihe faszinierender Gebäude entstanden, darunter auch Museumsbauten, die Geschichte geschrieben haben. Ein gutes Beispiel dafür ist das MASP von Lina Bo Bardi, das auf die schwierige Situation vor Ort reagiert, indem ein Teil der Ausstellungsflächen in die Luft gehoben wird und ein Teil in der Erde vergraben. Unter dem weit auskragenden Gebäudeteil kann sich der öffentliche Raum so entfalten wie vor dem Angriff, ja wird sogar aufgewertet. Die Architekten Zasnicoff Cadoso und Carlos Alberto In benutzen dafür den Begriff “namlose Räume”, weil sie zwar architektonisch anspruchsvoll sind, aber nicht durchgängig determiniert, sondern offen. Auf diese Weise entstehen in Brasilien exemplarische Museumsbauten, die Räume für Gemeinschaften schaffen und minoritären Narrativen einen Raum geben. Die Architekten benutzen die Metapher des “elastischen Handschuhs” des brasilianischen Kritikers Pedrosa, um die Vision einer Architektur auszudrücken, die sich elastisch an die Gegebenheiten anpasst und dabei “verschwindet”. Die Software des Museums der Zukunft wird im sozialen Engagement der Museen liegen.
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Sollte man das Museum von der Harmonie oder vom Konflikt aus denken?
Gibt es auch in den Dörfern des Gschnitztals Räume, die man im Sinne der brasilianischen Architekten Zasnicoff Cadoso und Carlos Alberto als “namlos” bezeichnen könnte? Oder, falls sich keine finden lassen, sollte man sie dann schaffen? Ist es in der Architektur immer notwendig, alles im Detail zu definieren oder besteht die Aufgabe des Architekten darin, Räume zu öffnen, um ihnen ein neues Potential zu geben?
Arquitetos Associados bewegen sich in Richtung eines Entwurfsansatzes, der die Gemeinschaft in den Mittelpunkt rückt und zugleich spezifische Merkmale der Landschaft berücksichtigt. Sind das die großen Themen eines Museums für die Natur im Gschnitztal, Gemeinschaft und Landschaft? Wenn ja, wie vermittelt man beide Aspekte in einem Gebäude?
Die Kernaussage des Interviews mit den beiden brasilianischen Architekt*innen ist: Die Software des Museums der Zukunft wird im sozialen Engagement der Museen liegen. Was ist eigentlich die Kernaufgabe eines Museums? Soll das Museum “lehren”, “sammeln”, “konservieren”, “forschen” usw. oder liegt seine Aufgabe tatsächlich im sozialen Engagement?
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Student*innen:
Yunus Özen
Lynn Klink
Hanna Ferstl
Sarah Zähringer
Leandro Brouschert
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Referat 3
Der neue öffentliche Raum
David Adjaye
Für Adjaye ist das Museum ein »typologisch beflecktes Projekt, ein verwundetes Tier vom ersten Tag an«. Es feiert etwas, worüber man eigentlich traurig sein sollte: die gezielte Zerstörung einiger Gesellschaften. Doch im Kern ist die Idee, Wissen zu teilen, grundsätzlich schön. Letztendlich ist das Museum eine Maschine, die den Menschen etwas über die Welt beibringt. Aber zu welchem Preis? Adjaye spricht über das Edo Museum of West African Art, das wohl ambitionierteste Museumsprojekt auf dem afrikanischen Kontinent und seine zentrale Rolle in der gegenwärtigen Debatte um die Rückerstattung von Kulturgütern. Das koloniale Projekt hat die physische Struktur Afrikas zerstört. Was von der ursprünglichen Kultur geblieben ist, sind die Objekte, über deren Rückerstattung man gerade spricht. Die Rückerstattung sollte es den Gemeinschaften, die sie einst besaßen, erlauben, ihre ganz eigene Form der Modernität und Emanzipation zu aktivieren - und sie Rechenschaft darüber ablegen könnten, wer sie in der Gegenwart sind. Adjaye ist überzeugt davon, dass das Museum in Afrika eine ganz eigene Typologie ausbilden müsse. Das Wunschbild ist ein Museum als ein Knotenpunkt in einem globalen Netzwerk, das aus einer Weltkultur heraus entsteht und nicht wieder nationale und koloniale Narrative wiederholt.
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David Adjaye betrachtet das Museum als Typologie, die eingesetzt werden kann für die Wiederbelebung der afrikanischen Städte und die Formierung einer spezifischen afrikanischen Identität. Das Museum ist für ihn ein Katalysator mit kulturellem Potential. Wagt man den Sprung von Afrika ins Gschnitztal, so könnte man sich fragen, ob das Museum dort ein Katalysator werden könnte für die Revitalisierung der Dörfer. Ist das Museum eine Typologie, die das leisten kann?
Adjaye meint, das Museum müsse in Afrika eine eigenen Typologie ausbilden, um zum Katalysator der Entwicklung werden zu können. Im Alpenraum haben wir die Typologie des Bauernhofs, die sich jahrhundertlang bewährt hat. Wie könnte man aus dem Dorfkern von Trins einen Katalysator für die soziale und kulturelle Entwicklung machen?
Das Museum ist nicht nur ein “Katalysator” (Beschleuniger), sondern auch ein “Indikator” (Anzeiger). Adjaye interpretiert das Museum im Kontext der schnell wachsenden afrikanischen Städte als Bezugspunkt, wenn es darum geht, über dieses Wachstum nachzudenken. Angesichts der Umweltkrise könnte das Museum ein “Indikator” sein, der das Wachstum kritisch in den Fokus rückt. Wie könnte man diesen Indikator architektonisch umsetzen?
Das Sir John Soane’s Museum in London beinhaltet die Idee des Museums als das Haus einer einzelnen Person, mit der Darstellung einer besonderen Geisteshaltung, die in einem ganz bestimmten Kontext entstanden ist. Ein einzelnes privates Haus mit seiner spezifischen Sammlung hat für Adjaye mehr Potential, Fantasie und Lernbereitschaft der Besucher anzuregen, wie das Museum als generische Institution. Könnte man diese Erkenntnis auf das Gschnitztal übertragen?
Adjaye meint, mit dem Internet habe sich das Museum prinzipiell geändert, weil sich auch der Begriff des Öffentlichen radikal verändert hat. Eine Voraussetzung für die Schaffung eines öffentlichen Raumes im Museum ist die sympathetische Verbindung mehrerer Generationen im Raum. Wie kann man ein Museum mit architektonischen Mitteln zu einen Mehrgenerationen-Raum machen?
Das Museum erzählt immer zwei Geschichten, eine von Modernisierung und Aufklärung und eine andere, die davon ausgeschlossen ist und die Zertörung von ganzen Gesellschaften beinhaltet. Hat es im alpinen Raum eine große Transformation der Gesellschaft gegeben und womit hängt das zusammen? Wie kann ein Museum den “sozialen Kitt” einer Gemeinschaft stärken?
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Student*innen:
Philipp Meschik
Antonia Auer
Mine Öztürk
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T7_ MI 08.11.2023
VORTRAG: Barbara Beikircher
“Der Wald im Klimawandel”
ORT: Foyer Gestaltung 1
ZEIT: 17.00 Uhr
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T9_ MO 13.11.2023
Ort: Studio Architekturtheorie
9.00 Uhr - 12.00 Uhr
Referat 4
Placemaking
Kerstin Thompson
Das Bundanon Art Museum & The Bridge for Creative Learning ist eine Anlage im australischen Busch, die von der Architektin Kerstin Thompson entworfen wurde. Die Architektin liest mit viel Feingefühl die Eigenschaften der Landschaften und geht mit ihrem Entwurf behutsam darauf ein. Ein Teil des Museums ist unterirdisch, um den Bestand vor den Buschfeuern zu schützen, der Trakt, in dem die Künstler untergebracht werden, wurde in Form einer Brücke ausgeführt, um die Räume vor den regelmäßigen Überschwemmungen zu schützen. Thompson arbeitet mit einem erweiterten Begriff der Landschaft, der an die Stelle der Gegensätze oder binären Codierungen ein Spektrum an Graustufen setzt, Übergänge und Zwischenräume. Auf diese Weise erlebt der Besucher auch das Museum: Er gelangt über die Autobahn dorthin, steigt auf dem Parkplatz aus, durchwandert eine Landschaft und geht auch durch das Museum, ohne jemals zu merken, wo dieses eigentlich anfängt und wo es aufhört. Mit dem Budanon Museum zeigt Thompson, wie man scharfe Trennungen auflöst, darunter jene zwischen dem Gebäude und der Landschaft, aber auch zwischen den Räumen der Ausstellung und jenen, die das gesellige Leben beinhalten.
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Das Gschnitztal in Tirol zeichnet sich dadurch aus, dass es sonnenseitig eine bebaute Talseite gibt und auf der Schattenseite die Landschaft relativ intakt ist. Ist es sinnvoll, diese Trennlinie aufrecht zu erhalten oder sollte man sie mit dem Museumsbau behutsam auflösen?
Beim Bundanon Museum in Australien ist die Integration des Gebäudes in die Landschaft einzigartig. Der Besucher merkt gar nicht, wo das Gebäude anfängt und wo es aufhört. Jedenfalls aber ist die “Brücke” ein “Passagenraum”. Was bedeutet das?
Es gibt im Gschnitztal eine Reihe von Maßnahmen, die die Dörfer vor den Gewalten der Natur schützen sollen (Lawinenverbauungen, Kanalisierung des Baches usw.). Worin liegt der Unterschied zur Art und Weise, wie das Bundanon Museum auf die Landschaft reagiert?
Die Aussage, jedes Museum sein im Prinzip eine Brücke in eine andere Welt, wird von Thompson sprichwörtlich übersetzt in die Konstruktion einer Brücke. Würde man diese Entwurfsmetapher im Gschnitztal architektonisch umsetzen, wo genau müsste man dann die Brücke platzieren?
Der Reiz des Bundanon Museums liegt darin, dass es ab und zu (bei Überschwemmungen) im Wasser steht. Wie ließe sich so etwas im Gschnitztal realisieren?
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Student*innen:
Robin Pohl
Constanze Braun
Fabienne Migga
Anna-Lena Feucht
Johanna Heep
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Referat 5
Spektakel oder Zufluchtsort
David Chipperfield
Das Neue Museum in Berlin wurde von David Chipperfield revitalisiert. Mehr als ein halbes Jahrhundert lang war es eine Ruine und Zeugnis einer traumatischen Vergangenheit. Wie geht man mit der Geschichte um? Wie schafft man ein neues Narrativ aus Krieg, Wiederaufbau und Moderne? Als deutlich wurde, dass Museumsarchitektur als Bedeutungsträger weit über den reinen Musenkult hinausgeht, schieden sich die Geister. Was tun? Die Antwort von Chipperfield fiel eindeutig und überzeugend aus: Zwischen 2003 und 2009 ließ er das Haus so umbauen und wiederherstellen, dass zwar die „historische Silhouette“ und das „originale Bauvolumen“ sichtbar, die Spuren der Zerstörung jedoch erhalten geblieben sind. Alt und Neu lassen sich voneinander unterscheiden. Im Rahmen seiner "kritischen Rekonstruktion" fasste der Architekt die Backsteinziegelwände, Stuccos und zahlreichen anderen Wunden der Geschichte zu einer ganz eigenen Sammlung zusammen. Das Resultat ist ein Hybrid aus Denkmal und Museum.
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Mit der Stararchitektur sind Museen seit den 1990er Jahren zu Attraktoren für die Touristenmassen geworden. Städte statteten sich seitdem mit “signature architecture” aus, dh. unter anderem auch mit Museen, die starke Bilder liefern konnten und selbst zum Kunstwerk wurden. Welches Potential besteht im Gschnitztal für die Errichtung eines solchen ikonischen Museums?
Das Gegenstück zum ikonischen Museum ist ein Museum, das zur kommunalen kulturellen und sozialen Infrastruktur gehört. Welche Voraussetzungen, dh. welche soziale und kulturelle Infrastruktur gibt es im Gschnitztal?
Chipperfield meint, das Museum könne Spektakel oder Sanktuarium sein. Das Geschnitztal ist ein ruhiges alpines Tal, in dem es kaum Tourismus gibt. Andererseits gibt es einen spektakulären Naturraum. Was bedeutet das für ein neues Museum? Bedeutet das, dass das gesamte Tal die Rolle des Sanktuariums übernimmt?
Chipperfield gab dem Neuen Museum in Berlin die Bedeutung einer achäologischen Ausgrabungsstätte. Die Idee des Architekten ist also, sich eine Brille aufzusetzen (die des Archäologen) und die Welt ganz anders zu sehen? Welche Perspektive auf ein alpines Tal wie das Gschnitztal entsteht, wenn man sich die Brille des Archäologen oder zB. eines Geologen aufsetzt?
Die Idee Chipperfields beim Bau des Neuen Museums war, nichts wegzunehmen und möglichst viele Materialien, die man vor Ort fand, zu verwenden, um zu einem Komposit zu gelangen, das die Qualitäten eines nie mehr erreichbaren Originals mit der besonderen Atmosphäre der Ruine verband. Ließe sich im Gschnitztal ein Museum ausschließlich aus Altmaterialien bauen, ganz ohne Zufuhr von außen?
Was spricht für eine “Bricolage” anstelle eines Neubaus? Gibt es Beispiele für das “Weiterbauen”, “Recyclen” oder “zyklische Bauen” auch im Alpenraum?
Der grundsätzliche Wandel des Museums kommt von der zeitgenössischen Kunst. Wenn schon ein schmelzender Eisberg ein Stück Kunst ist, dann sollte man über andere Arten von Räumen nachdenken, die die Kunsterfahrung ermöglichen. Ja, man muss sich fragen, ob sich die Künstler nicht ganz von den Strukturen des Museums lösen könnten. Wenn fünfzig Menschen, die mit Fahrrädern um die Stadt fahren, ein Kunstwerk sein können, warum sollte diese Kunstwerk dann noch an einer Institution hängen bleiben? Brauchen wir noch Museumsbauten? Muss sich das Museum in einem Gebäude manifestieren?
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Student*innen:
Kasimir Ammann
Jasmin Zangerle
Nicola Kollreider
Irina Radeva
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Referat 6
Zeitlichkeit
Jing Liu & Florian Idenburg
Das junge Büro SO-IL von Jing Liu und Florian Idenburg widmet sich unter anderem neuartigen Museumsprojekten, die sich vom Top-down-Ansatz deutlich unterscheiden. Ihr Projekt "Armant" schafft in einem Block in Brooklyn eine Situation der "Porosität", von schwellenartigen Übergängen und neuen Nachbarschaften, um das Museum in den Kontext zu erweitern. Die beiden suchen nach pluralistischen, offenen und lokal verankerten Lösungen und nach keinem Modell, das überall repliziert werden kann. Das Museum ist kein Schraubenzieher mehr, sondern ein Schweizer Armeemesser, eine Werkzeugskiste, die verschiedenste Lösungen ermöglicht und auch verschiedene Geschichten gleichzeitig an einem Ort erzählt. Mit ihrer Architektur versuchen sie eine Antwort zu geben auf die Frage, wie man in einer zunehmend instabilen Welt etwas stabil halten kann.
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Das Museum gründet auf für Jing Liu und Florian Idenburg auf der Vortellung, dass es bei einer Institution immer um die Einrichtung von Beziehungen - zwischen Menschen und Ideen, Menschen und Menschen, Menschen und Raum - geht. Sollte man in diese Beziehung auch Pflanzen und Tiere aufnehmen? Wie könnte ein Museum aussehen, das die Idee der Koexistenz aller Lebewesen realisiert? Gibt es ein Vorbild dafür?
Die Kategorie der »Bigness«, die zur Zeit der Stararchitektur wichtig war, hat heute ausgedient. In den letzten Jahren haben sich die Diskurse auf lokale, kleinere Gemeinden verlagert. Vielleicht werden wir mehr pluralistische, offene und lokal verankerte Lösungen sehen und nicht ein Modell, das überall repliziert werden kann. Wie könnte im Kontext eines alpinen Tales mit kleinen Ortschaften das Gegenmodell zur “Bigness” aussehen?
Museen haben sich verändert, verglichen mit jenen dem letzten Jahrhundert, insbesondere hat sich das Verhältnis zwischen Ausstellungs-Raum und öffentlichem Bereich verändert, dh. es gibt im Museum mehr öffentlichen Raum. In Tirol gibt es Ortschaften ohne Gasthaus, Vereinshaus usw. Orte sind zu Schlaforten geworden und ihre Bewohner pendeln, um Erlebnisse machen zu können oder um zur Arbeit zu fahren. Wie könnte das Museum zur Revitalisierung der alpinen Orte beitragen?
Jing Liu und Florian Idenburg arbeiten mit dem Konzept der “Porosität”, dh. sie versuchen das Museum so auszudehnen, dass es in die Nachbarblöcke reicht und sie bereichert. Wie könnte man “Porosität” inmitten des baulichen Bestandes im Gschnitzal mit den Mitteln der Architektur umsetzen?
Bauen wir einen Schraubenzieher oder ein Schweizer Armeemesser? Versuchen wir, ein Ding gut zu machen oder schaffen wir ein Set von Werkzeugen, um viele Dinge machen zu können? Wie kann man das auf Museen anwenden?
Was wir neu lernen müssen, ist möglicherweise die Art und Weise, wie wir Geschichten erzählen. Museen können neue Arten des »storyellings« provozieren. Welche Geschichten könnte das Museum im Gschnitztal erzählen?
Wie kann man in einer zunehmend instabilen Welt etwas stabil halten? Wie schafft man diesen Puffer zwischen der neutralen, perfekten, unveränderlichen Galerie, dem Museum oder Archiv und einer Welt, die sich ständig wandelt? Der alpine Raum ist ein Raum der Transformation. Wie kann das Museum zum sichtbaren Ausdruck dieses Wandels werden? Wie kann man in der Architektur mit Kontingenz, Instabilität usw. umgehen?
Die Zeit reicht viel weiter wie das Leben eines Architekten oder eines Gebäudes oder einer Institution. Materialien leben weiter in hunderten von Jahren. Die meisten Gebäude hingegen überdauern die Funktionen, für die sie gebaut wurden. Wie könnte die Antwort der Architekten darauf aussehen?
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Student*innen
Felix Hummel
Laura-Marie Kolbeck
Selma Hoffmann
Lara Wagner
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Referat 7
Porosität
Frida Escobedo
2018 hat Frida Escobedo einen Pavillon für die "Serpentine Galleries" in London entworfen. Sie war die jüngste Architektin, die jemals von der Kommission den Auftrag dafür erhalten hat. Ihre Struktur, die teils Innenhof, teils Skulptur und teils Labyrinth war, verwischte die Grenzen zwischen Innen und Außen, Neuem und Historischem sowie globalem und mexikanischem Designvokabular. Sein Hauptmerkmal war eine reich strukturierte Porosität, die dem hellen Pavillon einen Hauch von Zugänglichkeit und Faszination verlieh. Porosität ist ein Konzept, das man in der Architektur mit der Transparenz vergleichen kann. Allerdings erlaubt die Porosität nie einen vollständigen Zutritt, sondern öffnet und schließt in graduellen Abstufungen, sie macht den Raum auf eine raffinierte Art und Weise erlebbar, indem sie Dinge langsam enthült oder den Raum erst langsam öffnet in der Bewegung.
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Frida Escobedo findet die Wurzeln ihrer Architektur im spezifischen Kontext ihrer Herkunft und beschreibt ihre Arbeit als ein »Schichten« und »Metabolisieren« von unterschiedlichen Materialien. Damit trifft sie den Nerv der Zeit: Buser gründete in Basel schon in den 1990er Jahren die Bauteilbörse und später das "baubüro in situ". Das führte zu einem komplett anderen Blick auf Architektur, die bescheidener wird und nicht mehr nur Show ist. Welche Möglichkeiten ergeben sich aus der Philosophie des “Schichtens” von Materialien für den Entwurf eines Museums im Gschnitzal?
Das “Schichten” führt zu einem gekonnten Umgang der Architektin Escobedo mit der Geschichte. Ein Museum nimmt die Tradition auf und führt sie in die Zukunft. Die Architektin erklärt dies auch mit der räumlichen Konfiguration des Nationalmuseums in Mexiko City. Was sollte ein Architekt berücksichtigen?
Ein weiteres Konzept von Escobedo ist die “Porosität”. Was meint sie damit? Wie kann man “Porosität” in der Siedlungsstruktur der beiden Dörfer im Gschnitztal umsetzen? Wie macht man das Museum zu einem intregralen Bestandteil dieses Konzepts?
“Porosität”funktioniert in verschiedenen Maßstäben: Landschaft, Dorf, Architektur, Detail. Wie kann man “Porosität”mit den Mitteln der Architektur umsetzen, um all diese Maßstäbe zu verzahnen? Was könnte das bedeuten für das Verhältnis von Architektur und Natur?
Die Porosität ist für Escobedo grundlegend. Sie erfordert eine doppelte Verantwortung: Eine des Museums, das permeabler sein sollte, aber auch eine des Betrachters, der beweglicher werden sollte. Wir sollten uns überlegen, wie wir uns verbinden können mit diesen doch eher furcheinflößenden Institutionen. Wie hängen Wegführung und Porosität zusammen? Wie könnte der Entwurf eines Wegenetzes aussehen, damit das Museum als intergraler Bestandteil der Landschaft “poröser” wird? Was bedeutet das für das Verhältnis von Architektur und Natur?
Escobedo will nicht von »Bescheidenheit« sprechen, sie spricht einfach vom Museum ohne große Geste - es gibt keinen großen Moment. Museen können eine großartige Materialität haben und gleichzeitig einen sehr menschlichen Maßstab. Subtilität muss nicht banal sein. Welche Rolle spielt die Materialität beim Entwurf eines Museums im alpinen Raum?
Als Beispiel für ein gelungenes Museum erwähnt die Architektin das Museo Anahuacalli von Diego Rivera, das mit vulkanischem Gestein eingedeckt wurde. Ließe sich ein Museum, das ins Erdreich eingegraben ist, auch im Gschnitztal realsieren?
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Student*innen:
Theresa Foidl
Johanna Maurer
Julia Pfeifer
Würfl Walter
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T10_ MO 13.11.2023
Ort: Studio Architekturtheorie
13.00 Uhr - 15.00 Uhr
Referat 8
Kontext ist alles
Stephan Schütz
Stefan Schütz von gmp spricht über seine Vision eines Museums der Zukunft. Das Museum wird nicht mehr nur ein Container für Kunst und Ausstellungen sein, sondern zuallererst ein Ort für Menschen. Die Besucher sollten das Programm des Museums mitgestalten können, deshalb braucht es Räume für vielfältige Formen der Partizipation (coworking-spaces, labs, maker spaces, workshops usw.) und der Aktivierung. Die Menschen werden andere Erwartungen in das Museum setzen als wir es heute tun, das sollten wir beim Entwurf eines Museums mitdenken. Flexibilität ist ein wichtiges Kriterium, wie auch Transparenz und Offenheit. Letztere bedeuten nicht nur, dass man Glasfassaden einsetzt, sondern dass man verschiedene Aktivitäten zulässt. Das Museum sollte für Schütz wie ein städtisches Wohnzimmer für alle sein, mit Sofas statt harter Ecken, mit Pflanzen und großzügigen Aufenthaltsbereichen. Die radikale Öffnung und Demokratisierung des Museums wird auch dazu führen, dass es viel weiter in seine Umgebung hineinreichen wird, gleichzeitig wird das Museum der Zukunft noch mehr im lokalen Kontext verankert sein.
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Das Museum der Zukunft ist nicht mehr nur ein Container für Kunst und Ausstellungen. Wir müssen uns von der Vorstellung verabschieden, dass das Museum ein monofunktionales Gebäude ist und lernen, dass es zuerst und allererst ein Ort ist für die Menschen. Die Menschen sollen das Programm des Museums beeinflussen können. Wie kann man das konkret umsetzen?
Wir müssen uns auch von der Vorstellung trennen, dass ein Museum eine reine Touristendestination ist. Wie schafft man es, die örtliche Bevölkerung in das Museum mit einzubinden?
Schütz meint, die Idee des Schaulagers, eines offenen Warenhauses, die Herzog & De Meuron um 2002 eingeführt haben, werde der große Trend bleiben. Diese Idee knüpft an die Wunderkammer des 16. Jhrts. an. Sie wird nicht den White Cube ersetzen, aber sie könnte sich parallel zum Ausstellungsraum etablieren. Was ist mit der Idee des “Schaulagers” konkret gemeint? Warum steckt so viel Potential in diesem Konzept?
Das Museum der Zukunft verwandelt die Besucher in aktive Teilnehmer, die Besucher werden in Zukunft noch mehr zu Akteuren werden. Wenn wir wollen, dass sie sich aktiv engagieren, brauchen wir die richtigen Räume dafür (»co-working spaces« und »labs«). Wie könnte das Programm für ein Museum aussehen, das diese Räume enthält?
Beim Kulturpalast in Dresden hat das Team von gmp an ein städtisches Wohnzimmer für viele Menschen gedacht: Man fühlt, dass man eingeladen wird in dieses Haus zu treten, mit Pflanzen und einem Wohnraum mit großzügigen Sofas anstatt harter Kanten. Stephan Schütz beschreibt damit ein Modell, das im städtischen Kontext umgesetzt werden kann. Würde das auch im Gschnitztal funktionieren? Was müsste an die Stelle des “städtischen Wohnzimmers” treten, um das Museum für alle einladend zu machen? (Vgl. mit dem “Steinbockmuseum” im Pitztal)
Was wir heute als »Museum« bezeichnen, wird in Zukunft vielleicht etwas ganz Anderes beherbergen. Es könnte sein, dass das Museum, das wir heute bauen, zum Zeitpunkt seiner Fertigstellung längst schon überholt ist. Wie schafft man es in der Architektur, Raum für die Zukunft zu bauen? (vgl. “Determinierung” und “Indeterminiertheit”)
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Student*innen
Gabriel Seidl
Florian Mladek
Leonie Thaler
Anne Reichart
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Referat 9
Archäologie der Zukunft
Lina Ghotmeh
Lina Ghotmeh ist die Architektin des Estischen Nationalmuseums in Tartu. Anstatt das Gebäude auf dem vorgeschlagenen Gelände zu errichten, entschied sich ihr Team DGT für eine nahe gelegene ehemalige sowjetische Militärbasis als Bauplatz. Diese Ruine klaffte wie die Wunde einer schmerzhaften Geschichte auf. Ghotmeh lud dazu ein, sich an einem stark belasteten, gleichzeitig aber auch räumlich einzigartigen Ort mit der eigenen Erinnerung auseinanderzusetzen. Sie möchte das Museum zu einem Ort der lebendigen Erinnerung machen. Optisch beeindruckt das Gebäude, weil es das Startfeld des Flughafens verlängert, indem sich die riesige Dachfläche an einer Seite abhebt und in die Richtung eines "unendlichen Raumes" auszudehnen scheint. Unter dem gigantischen Dach entsteht so der Raum für ein neues, empathisches, großzügiges und zugleich sensibles Kollektiv.
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Lina Ghotmeh spricht von einer “Archäologie der Zukunft”. Was meint sie damit?
Der Bezug zur Erde und zu dem, was unter der Erde liegt sind für Lina Ghotmeh wichtig. So kann Architektur zur »Heilung einer Landschaft« beitragen, die immer auch eine Heilung der Gemeinschaft meint, die dort lebt. Neben dem Verlust der Artenvielfalt ist es auch der Verlust des Bodens, der in den Alpen voranschreitet. Wie könnte das neue Museum auf diesen Tatbestand reagieren?
Zur »Archäologie der Zukunft« gehört auch eine forschende Betrachtung der Typologie des Museums, die es erlaubt, sich kritisch zu verorten, die Typologie neu zu denken und im Kontext des Wirtschaftssystems und der Kultur zu sehen, die sie hervorgebracht hat. Brauchen wir eine neue Typologie des Museums oder reicht es aus, an der bestehenden Typologie zu arbeiten?
Angenommen, in einigen Tausend Jahren graben künftige Archäologen das Museum im Gschnitztal aus: Was werden sie dann erfahren, was über die Menschen am Anfang des 21. Jahrhunderts lernen? Was geben wir den Archäologen der Zukunft mit dem Museum zu lesen? Was möchten wir, das sie unbedingt finden sollten (das Museum als “Flaschenpost”)?
Der Mensch hat die Natur bereits so verändert, dass es eigentlich keinen Bereich mehr gibt, den man als “Natur” bezeichnen könnte, der also ganz frei ist vom anthropogenen Einfluss. Wir sind in einer totalisierten Kultur angekommen. Was bedeutet das für den Bau eines Museums, das sich ja auf die Seite der Kultur schlagen muss? Wie kann das Museum noch eine kritische Position einnehmen?
Wie kann man ein Museum zu einem lebendigen Ort der Erinnerung machen? Dadurch, dass man es zu einer Plattform macht, auf der sich Menschen treffen können, um von ihrer Vergangenheit zu erzählen, ihre Gegenwart zu leben und an ihrer Zukunft zu bauen. So kann das Museum zu einem kulturellen Inkubator werden für die Bevölkerung. Welche Rolle spielt die Geschichte bei einem Museum, das sich dem Thema “Natur” widmet?
Ghotmeh verweist auf ihre offene Erziehung, die sie hat reifen lassen im Bewusstsein, dass es für die Ausbildung zur Architektin auch Interessen an anderen Disziplinen braucht. Welche Disziplinen müssen unbedingt berücksichtigt werden, wenn es um ein Museum geht, das sich der “Natur” verpflichtet sieht?
In Ländern mit fehlenden staatlichen Strukturen (wie zB. dem Libanon) kann das Museum eine öffentliche Sphäre erzeugen, Menschen erleben dort bei aller Verschiedenheit ihrer Kulturen und Religionen ein Gefühl der Zugehörigkeit. Diese Feststellung trifft nicht nur auf Konfliktländer zu. Die öffentliche Sphäre ist auch bei uns in der Krise (Internet, Pandemie usw.). Wie könnte man mit dem Bau eines Museums dagegensteuern?
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Student*innen:
Sophia Brunner
Lukas Rangger
Aurora Scharmer
Stefanie Gordon
Maximilian Knoblauch
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Referat 10
Ziviler Raum
Minsuk Cho
Asien ist ein fruchtbarer Boden für Museen. In Korea hat die Demokratisierung der Gesellschaft zu einer stärkeren Konzentration auf die Kunst geführt, die sich vom Staat emanzipiert und ein breites Spektrum entwickelt hat, das von Grassroot-Bewegungen bis hin zu öffentlichen Museen reicht. Minsuk Cho, der bei OMA gearbeitet hat, steht im Zentrum dieser Entwicklung. Er erläutert im Gespräch mit András Szántó seine Vision des Museums der Zukunft. Obwohl man im Fall von Korea gerne an eine hochdigitalisierte Kultur spricht, distanziert sich der Architekt vom "Algorithmen-Ghetto" uns sieht das Potential der Architektur darin, starke Empfindungen mit einfachen Mitteln zu schaffen. Museen sollten in der Zukunft noch partizipativer und mehr noch eine öffentliche Plattform oder eine Spielwiese für das Erlernen neuer Dinge werden. Anstatt in die Schule zu gehen, wird man in Zukunft in Museen gehen, wo es einen immersiven Raum gibt, an dem jeder teilnehmen kann
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Die frühen archiektonischen Experimente führen Minsuk Cho zum Danginri Power Plant Complex, Seouls Antwort auf die Tate Modern. Eingezwängt zwischen einer Autobahn und einem Komplex von Hochhäusern liegt eine frühere Fabrik, die der Architekt nutzen möchte, um vibrierende kulturelle Aktivitäten zu entfalten. Im Gschnitztal gibt es keine solche Fabrik. Was könnte an ihre Stelle treten?
Es geht beim Power Plant Complex um die Wiederverwendung einer alten Struktur und die seltene Möglichkeiten, einen großzügigen öffentlichen Raum zu schaffen. Wenn ein leerstehender Bauernhof in die Rolle des Power Plant Complex schlüpfen würde, welche Voraussetzungen müsste er dann mitbringen?
Eine zentrale Quelle für Minsuk Cho ist der Fun Palace von Cedric Price, der einen Spielplatz für alle öffnen möchte. Warum ist der Fun Palace für Architekten immer noch attraktiv? Wie wichtig ist das Element des Spaßes für ein Museum?
Minsu Cho ist ein Architekt, der in Südkorea arbeitet, einem Land, das für seine professionellen Video-Gamer bekannt ist, die sich in artifiziellen Welten aufhalten. Das Natur-Museum scheint in eine andere Richtung zu gehen. Minsu Cho ist dem Internet gegenüber skeptisch und stellt ihm die Möglichkeiten der Architektur gegenüber. Welche Vorteile und Nachteile hat die Architektur?
Minsuk Cho verwendet das Konzept der »kollektiven Intimität«. Was meint er damit?
Museen sollten in der Zukunft noch partizipativer, mehr noch eine öffentliche Plattform oder eine Spielwiese für das Erlernen neuer Dinge werden. Sie sollten sich für die ganze Ökologie und die natürliche Welt einsetzen. Kann man das machen, indem man das Gschnitztal in eine “Spielwiese für alle” verwandelt?
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Student*innen
Lukas Plibersek
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T11_ MI 15.11.2023
VORTRAG: Ernst Partl
“Steinbockzentrum Tirol und Nationalpark Kaunergrat”
ORT: Foyer Gestaltung 1
ZEIT: 17.00 Uhr
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T12_ MO 20.11.2023
Ort: Studio Architekturtheorie
12.15 Uhr - 15.00 Uhr
Referat 11
Die Licht-Institution
Li Hu & Huang Wenjing
An einem ruhigen Strand, in der nordchinesischen Bohai-Bucht, liegt das UCCA Dune Art Museum der Architekten Li Hu & Huang Wenjing vom Team OPEN Architecture. Es ist in den Sand eingegraben und verschwindet unter der sanften Graslandschaft der Sanddünen, die der Wind entlang des Ufers angehäuft hat. Inspiriert von Kinder, die dort Löcher in den Sand graben, haben sich die Architekten dafür entschieden, einen Großteil der Ausstellungsflächen unterirdisch in Form einer großen Katakombenlandschaft anzulegen. Andere Projekte der beiden Architekten sind der futuristische Sun Tower oder Tank Shanghai, mit denen sie alles in Frage stellen, was bis dahin als Museum galt ...
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Dune Art Museum und Sun Tower sind spektakuläre Museen, die das Thema “Natur” aufgreifen, gleichzeitig aber gar nicht aussehen, wie klassische Museen. Braucht es für das Gschnitztal ein starkes Statement?
Irgendwie kann heute - so lautet das Resümee der Architekten - alles ein Museum sein. Was könnte zum Beispiel alles ein Museum sein?
Architekten wollen mit den Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen, Dinge anders und neu machen, bzw. den Museen eine neue Bedeutung geben. Um das zu tun, muss man aber wissen, was das Museum eigentlich ist. Will man das Museum verändern, so muss man es zuerst beherrschen, sagen Hu und Wenjing. Geht es tatsächlich darum, das Museum neu zu erfinden oder sollte man mit bewährten Konzepten einfach weiter machen?
Bei ihrem Sun Tower wurden sie gar nicht damit beauftragt, ein Museum zu entwerfen, sondern ein Gebäude, das einfach kulturelle Aufgaben in einem neu erschlossenen Gebiet übernehmen könnte. Sollte man es den Architekten überlassen, mit der Form des Museums auch den Inhalt gleich mit zu entwerfen?
Die beiden chinesischen Architekten folgen nicht der etablierten westlichen Museumstypologie, sondern arbeiten mit “offenen Typologien”, um völlig neue Ansätze zu verwirklichen. Welche Rolle sollte die Typologie beim Entwurf eines Museums spielen?
Der Sun Tower ist ein Turm, der direkt am Meer steht, in bester Lage, wo man jeden Tag den Sonnenaufgang neu erleben kann. Man kann ihn über den Vordereingang betreten oder einfach als Jogger auf den Campus laufen, ohne ohne überhaupt zu realisieren, dass man sich bereits im Museum befindet. Sollte man ein Museum so anlegen, dass es einfach in die Landschaft aufgeht? Welche Position sollte das Museum in der Landschaft einnehmen?
Was meinen die beiden Architekten mit ihrem Konzept der »Licht-Institution«?
Die Museen von Open-Architecture haben eine Gemeinsamkeit: Sie stehen an der Grenze zu einem spektakulären Naturraum. Nehmen wir an, wir würden ein “Portal-Gebäude” an den Anfang des Gschnitztales setzen, also an die Grenze des Naturraums-Gschnitztal: Welche Vor- und Nachteile hätte eine solche Intervention?
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Student*innen:
Max Koblauch
Luca Roelleke
Alexandra Zolothyk
David Zauels
Jonas Klett
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Referat 12
Der Architekt als Künstler
Elizabeth Diller
Wie können Architekten Museen bauen, auf die wir auch noch in fünfzig Jahren nicht verzichten möchten? Um unverzichtbar zu sein, muss man das Museum nicht als Luxusgut sehen, sondern als eine gemeinsame Notwendigkeit. Es sollte alle Menschen einladen. Es könnte auch dezentralisiert sein, mit Satelliten, die über die ganze Stadt zerstreut sind. Es sollte kein isolierter Silo sein, sondern Teil einer kulturellen Infrastruktur, die wiederum verknüpft ist mit Erziehung und den nicht-visuellen Kunstformen - und zum Rathaus, denn das Museum braucht den Einfluss auf die Politik. Es könnte verbunden sein mit anderen Teilen der Welt, ein kultureller Hub, weltweit vernetzt mit anderen, um einen Diskurs ins Leben zu rufen, der nicht von der Geografie begrenzt wird. Vielleicht sollte das Museum kein Ding sein, sondern ein System. Und es sollte eine große Bar haben, ein Ort sein, wo man etwas essen kann, trinken, rumhängen kann, 24 Stunden am Tag.
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DS+R sind mit einer einzigartigen Perspektive an ihre Arbeiten herangetreten - die von Künstlern und nicht »nur« von Architekten. Was bringt die künstlerische Perspektive der Architektur?
Der Fun Palace von Cedric Price ist die Vorlage für The Shed von DS+R. Welche grundsätzlichen Ideen entnehmen sie der Vorlage für ihren Entwurf einer “Architektur der Infrastruktur”?
Die “Architektur der Infrastruktur” lebt von zwei Dingen: Adaptierbarkeit und Improvisation. Wie könnte man die Idee einer “Architektur der Infrastruktur” im Gschnitztal umsetzen? Wie kann man bestehende Elemente adaptieren und gleichzeitig ein Maximum an Spiel und Improvisation erlauben?
Elizabeth Diller sagt: “Kunst bleibt auch immer etwas Unbekanntes”. Welche Rolle kann das Unbekannte beim Entwurf eines Museums im Gschnitztal spielen?
Diller spricht von ihrer Herangehensweise an die Projekte aus drei Perspektiven, jener der Architektin, der Kuratorin und aus der Perspektive des Aufbaus einer kulturellen Institution. Welche Fragen stellt Diller? Wie lassen sich diese Fragen auf das Gschnitztal übertragen?
Diller sagt, sie halte sich nicht einfach an die Vorgaben, die vom Bauherren kommen, sondern sie stellt die “bigger questions”. Wie müssten solche “bigger questions” im Falle des Gschnitztales lauten?
Als ein Gestalter von Institutionen möchte Diller, dass das Gebäude zu einem umfassenden Ziel der Öffentlichkeit beitragen kann, dass es im Dialog mit den lokalen und globalen Institutionen bleibt. Da Museum sollte kein isolierter Silo sein, sondern Teil einer kulturellen Infrastruktur, die wiederum verknüpft ist mit Erziehung und den nicht-visuellen Kunstformen - und zum Rathaus, denn das Museum braucht den Einfluss auf die PolitikMit welchen Institutionen sollte das Museum im Gschnitztal einen Dialog aufnehmen?
Das Museum könnte auch dezentralisiert sein, mit Satelliten, die über die ganze Stadt zerstreut sind, meint Elizabeth Diller. Das Museum im Gschnitztal könnte sich wie ein Archipel auf das ganze Tal aufteilen. Aus welchen Elementen (“Inseln”) setzt sich der Archipel zusammen?
Auf der von DS+R konzipierten High Line in New York können die Besucher zwar nur gehen und stehen, aber für Städter, die immer produktiv sein müssen, ist das Gehen nur um des Gehens willen eine wichtige Erfahrung ...Welche neuen und wichtigen Erfahrungen kann das Museum im Gschnitztal ermöglichen?
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Student*innen:
Verena Blasbichler
Gabriela Feiersinger
Carina Einkemmer
Sarah Rieder
Nina Mang
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Referat 13
Museum als Ausstellung
Bjarke Ingels
Bjarke Ingels Projekte werden oft von einer großen Idee angetrieben, die den Zweck des Gebäudes ausdrückt. So schaut das Musée Atelier Audemars Piguet, ein Uhrenmuseum, aus wie die Spiralfeder einer Uhr. Das Gebäude ist Ausdruck und Symbol. Es ist Ausstellung. Ingels sieht seine Arbeiten in der Tradition der Guggenheim-Museen, meint aber, dass es ihm gelinge, Form und Inhalt zur Deckung zu bringen. Für das Museum der Zukunft hat er große Visionen: Das Museum soll engagierter und demokratischer sein. Das Museum ist Avantgarde, nicht nur künstlerische, sondern auch soziale. Als Experimente, die ein kleines, pragmatisch umgesetztes Stück Utopie in die Tat umsetzen, reichen Museen weit in die Zukunft hinein. Diese Wirkung kann weit über die Dimensionen eines Gebäudes hinausgehen. Sie entsteht aus neuen Allianzen, auch für die Natur. Darin sieht Ingels die wahre Macht der Museen in Bezug auf ihre Wirkung in der Welt
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Die Projekte von Bjarke Ingels werden oft von einer großen Idee angetrieben, die den Zweck des Gebäudes ausdrückt. So schaut das Musée Atelier Audemars Piguet, ein Uhrenmuseum, aus wie die Spiralfeder einer Uhr. Sollte das Museum im Gschnitztal mit seiner Form verraten, was in seinem Inneren passiert? Oder sollte es unmerklich in seinem Kontext verschwinden?
Bei The Twist wird das Gebäude zum Teil der Wegeführung. Der Besucher spaziert durch den Park und benutzt das Gebäude als Brücke, um zur anderen Seite eines Flussess zu gelangen. Das Gebäude selbst wechselt von der Horizontalen in die Vertikale in einer Art von twist, womit eine auffallende Form entsteht - eine Skupltur inmitten des Skulpturenparks. Sollte man das Gschnitztal zu einem Skulpturenpark machen, in dem das Museum selbst zur Skulptur wird?
Museen sind häufig ein Teil der “Ökonomie der Aufmerksamkeit”. Städte und Dörfer investieren in ikonische Architektur, um sich in der globalen Bilderwelt zu etablieren. Alle stecken in einem Kampf um die Aufmerksamkeit. Ingels unterscheidet zwischen Unterhaltung und Engagement. Unterhaltung beinhaltet ein Element des passiven Konsumierens, die Welt ist voll davon. Engagement ist im Gegensatz dazu die Ermutigung des Besuchers, ein aktiver Teilnehmer bei der Erkundung der Welt zu werden. Wenn es gelingt, eine Umgebung zu schaffen, die uns anspricht und in der wir ganz präsent sind, dann ist das ein Geschenk, das Architekten den Menschen machen können. Er sieht das als die Essenz eines Museums. Ein Museum könnte ein Weckruf sein, der Menschen aus all diesen Zerstreuungen und Ablenkungen herausholt und in die Gegenwart führt. Braucht es das im Gschnitztal oder erledigt diese Aufgabe bereits die spektakuläre Natur?
Wir sollten das Museum engagierter machen und inklusiver für ein größeres Publikum. Es bedeutet, dass wir die Museen strategisch verorten sollten, um die Nachbarschaft aufzuwerten. Wie könnte eine solche strategische Verortung des Museums im Gschnitztal aussehen?
Wenn man vom “Museum als Ausstellung” spricht, stellt sich die Frage, was denn eigentlich ausgestellt werden sollte: Sind es die besonderen Objekte im Museum oder ist es die Architektur, die sich zur Ausstellungsobjekt macht?
Museen können das. Wir sollten uns versichern, dass Museen Pioniere sind, Teil der Avantgarde - nicht nur der künstlerischen, sondern der sozialen. Wie kann man das Museum im Gschnitztal zum Pionier, zur sozialen und künstlerischen Avantgarde machen?
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Student*innen
Christian Kennel
Verena Gstrein
Johanna Sophie Prugg
Sebastian Augschöll
Tobias Oberparleiter
Pamina Pawlik
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T13_ MO 27.11.2023
Ort: Studio Architekturtheorie
9.00 Uhr - 12.00 Uhr
Referat 14
Surrealität
Ma Yansong
Für Ma Yansong, einem der bekanntesten chinesischen Architekten der jüngeren Generation, ist das Museum "nothing if not futuristic". Er verleiht damit der Idee der "surreality" einen Ausdruck, also dem Gedanken, dass ein Museum dem Besucher stets eine Reise ins Außergewöhnliche ermöglicht. Das Museum ist ein Ort des Eskapismus, der Flucht von der Realität in eine andere Welt, die sich gänzlich vom Alltag und seinen Routinen unterscheidet. Ma Yansong spricht sich damit nicht für eine Architektur des Spektakels aus. Auch kleine Museumsbauten können Menschen in neue spirituelle Welten führen. Das Museum ist auch in dem Sinne "sur-real", als es immer Alternativen zum Bestehenden anbietet. In einer Zeit, die sich ganz dem Nutzen verschrieben hat, bedeutet das, dass ein Museum ein Ort ist, der den Menschen mit Fantasie und Inspiration Flügel verleiht.
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In ihrem Manifest mit dem Titel Shanshui City sprechen sich die Architekten für eine Architektur aus, die sich in den Dienst der Natur und der Menschen stellt und nicht des Kapitals und der Macht. Den Appell, sich für die Natur einzusetzen, hört man allerortens. Welchen Beitrag kann ein Museum dafür leisten?
Ma Yaonsong verweist aber darauf, dass es in China immer mehr Städte gibt, die sich ein neues Opernhaus oder eine Musikhalle wünschen, obwohl die Verantwortlichen kaum eine Vorstellung davon haben, wie die schönen Hüllen mit Inhalt gefüllt werden könnten. Die Architekten kommen in die Lage, dass sie ihren eigenen Auftrag gleich mitentwerfen müssen. Ist das ein Nachteil? Könnte man im Gschnitztal vielleicht auch so an die Sache herangehen?
Ma Yansong denkt über das Museum als einen Ort nach, an dem die Menschen vor der Realität flüchten können. Bei uns sprießen “Escape-Rooms” wie Pilze aus dem Boden. Wie wichtig ist die Flucht aus der Realität für die Menschen? Sollte ein Museum ein solcher Fluchtort sein?
Das Museum hilft den Menschen, ihre spirituelle Bestimmung zu finden. Solche Räume müssen nicht spektakulär sein, weil sich auch kleine Museen dafür eignen, etwas Besonderem einen Raum zu geben. Wie wichtig ist “Spiritualität” für ein Museum, das sich dem Thema “Natur” widment? Gibt es Beispiele von Museen, die dem Bedürfnis nach Spiritualität besonders gut nachkommen?
Architektur und Kunst haben viele Gemeinsamkeiten, wichtig für die Architektur ist, dass sie die Menschen emotional auffängt, denn Gefühl ist für Ma Yansong die »ultimative Bestimmung der Architektur«. Gefühle und besondere Erfahrungen werden auch von der Tourismuswirtschaft immer wieder betont. Heißt das, dass ein Museum Gefühle und Erfahrungen verkaufen muss?
Ma Yansong vertritt die Meinung, dass ein Museum wie ein Bahnhof oder Flughafen der Ausgangspunkt einer Reise ist. Die Architektur hat ihre ganz eigene Sprache, um Menschen auf eine Reise vorzubereiten, die bei allen Besuchern des Museums den gleichen Ausgangspunkt hat, aber dennoch für jeden in einen anderer Richtung führt. In den amerikanischen Nationalparks gibt es sogenannte “Visitor Centers”. Sollte das Museum im Gschnitztal lediglich ein solches Besucherzentrum sein und das eigentliche “Museum” aus einer Naturlandschaft bestehen mit dem entsprechenden Wegenetz?
Ma Yansong spricht von einem Museum im urbanen Ballungsraum und verwendet das Konzept der “Surrealität” als “Über-Wirlichkeit”, in die der Mensch eintritt, um Besonderes zu erleben. Welche Rolle könnte ein solches Konzept spielen, wenn es um das Thema “Natur” geht? Wie wichtig ist dieses Thema in einer Welt, die selbst schon “surreale” Züge angenommen hat? Inwiefern kann das Museum hier noch Ausgangspunkt einer Reise in etwas Anderes sein?
Das Museum kann auch eine Alternative sein zu einer Architektur, die sich zu sehr der “grünen Technologie” opfert und damit ein Produkt wird, das »nachhaltig« oder »grün« ist, im Kern aber ökonomisch bleibt. Sie muss sich ständig neu erfinden, weil sie sehr schnell überholt ist. Welche Position kann das Museum im Gschnitztal hier einnehmen? Welche Rolle spielt die vielbeschworene “Nachhaltigkeit” für ein Museum, das sich dem Thema “Natur” widmet? (Stichworte “Natur” und “Nachhaltigkeit”)
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Student*innen:
Johanna Span
Katharina Hammerle
Gergana Takova
Laura-Marie Glas
Hanna Straßenberger
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Referat 15
Grünraum
Sou Fujimoto
Soll man in einem Park neue Museen errichten? Sollte man nicht stattdessen den Park erweitern? Das "Haus der Musik" in Budapest von Sou Fujimoto ist ein rundes Gebäude inmitten des Stadtparks. Ein Haus für die Musik wird für die Kunst der Klänge gebaut, der Architekt geht einen Schritt weiter in Richtung Natur und beschreibt es als eine "Klangwelle, die in den Baumkronen hängt". Bei Fujimotos Pavillon umhüllt eine vieldeutige Form den Klangraum, der es gelingt, Natur und Architektur zu versöhnen. Einige Bäume stehen nahe an der Glasfassade, andere brechen die Dachfläche auf und erzeugen eine pilzartige, löchrige Dachhaut. Es sollten möglichst viele Bäume erhalten werden, um ihnen Raum zu geben und sie durchs Dach wachsen zu lassen. Die etwa 100 Löcher machen aus dem Dach den Hut eines Schirmpilzes, der die Grenze zwischen dem Gebäude und dem Grünraum kaum noch erahnen lässt. Tritt man unter das Klangwellendach, so ist man vom golden schimmernden Blattwerk an seiner Unterseite überwältigt. Der Pavillon ist sensibel in den kulturellen Raum eingebettet und zugleich eine Hommage an die Natur.
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Soll man in einem Park neue Museen errichten? Sollte man nicht stattdessen den Park erweitern? Diese Frage, die sich dem Architekten Sou Fujimoto im Budapester Stadtpark stellte, ließe sich erweitern auf das Gschnitztal: Soll man dort überhaupt ein Museum bauen mit dem Thema “Natur”?
Der Architekt will mit seinem Projekt Architektur und Natur verbinden. Tatsächlich löst sich im Spaziergang durch den Park der natürliche Wald zu einem künstlichen, architektonischen auf, weil sich der Besucher fast unvermittel unter einem großen, goldenen Blätterwald wiederfindet. Gibt es andere Beispiele, wo Architektur und Natur auf beeindruckende Weise verschmelzen?
Fujimoto versucht, mit seiner Orientierung an der Natur, einen völlig neuen Ansatz, der auch weit über die bloße Wald- und Laubmetaphorik hinausgeht. Natur ist für ihn nicht nur Grünraum, sondern auch eine Erfahrung, die einzigartig und unwiederholbar ist, wie das Leben. Hier geht es also um den Begriff der “Singularität”. Was meint man damit?
Würde es Museen gelingen, einen solchen singulären Moment umzusetzen, dann würde das bedeuten, dass sie die Erfahrung von Kunst nicht mehr kontrollieren. Wie kann in der Architektur ein Raum aussehen, der nicht kontrolliert ist? Ist so ein Raum überhaupt möglich?
Welche Rolle spielt das Moment der Kontrolle in unserem Verhältnis zur Natur? Wie können wir Kontrolle abgeben? Was bedeutet das für den Entwurf des Museums? (vgl. dazu die “Öko-Kathedrale von LeRoy)
Der Raum des Museums ist für Fujimoto das Egebnis von “offenen Zwischenräumen”. Er entsteht zwischen der Architektur und der Natur. Dieser Raum erfordert Beobachtung und Anteilnahme. Er muss auf der Grundlage funktioneller Erfordernisse und durch einen behutsamen Umgang mit den ortsspezifischen Gegebenheiten ausgelotet werden. Wie weit dehnen sich die “offenen Zwischenräume” im Fall des Gschnitztales aus? Was gehört alles dazu?
Ein Beispiel dafür findet der Architekt in der Tradition des japanischen Gartens, der ein dynamisches Konzept ist, er verändert sich ständig und bleibt doch seinem Wesen nach gleich. Was beinhaltet ein “dynamisches Landschaftskonzept”? Wie kann das Museum Teil eines solchen Landschaftskonzepts werden?
Fujimoto betont das Moment der Kontingenz und des ständigen Wandels. Wie kann man Kontingenz in die Architektur einfließen lassen? Wie kann man in der Architektur mit “Natur” umgehen, ohne einfach ein Greenwashing zu betreiben?
Normalerweise stehen Architekten vor einem Baugrund mit Grenzen und müssen darin ihre Architektur platzieren. Für Fujimoto sind aber die Aktivitäten auf der Straße und deren Verbindung mit der Landschaft, all diese Zwischenraum-Situationen, interessanter. Er möchte sie alle in einem starken Konzept eines Entwurfs zusammenzufassen. Was bedeutet das im Fall des Gschnitztales?
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Student*innen:
Luigi Berthold
Simon Schweinstetter
Lara Stein
Radauer Anna
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Referat 16
Das ländliche Museum
Xu Tiantian
Im malerischen Dorf Caizhai, in den Hügeln des östlichen China gelegen, stoßen die Besucher auf eine überraschende Struktur: Eine Reihe von modernen Holzpavillons, die am Ufer eines sprudelnden Gebirgsbachs aufgestellt sind. Funktional gesehen geht es um eine "Tofu-Fabrik" Für den Architekten Xu Tiantian sind diese Gebäude Teil eines Experiments, bei dem es darum geht, neues Interesse am ländlichen Leben zu wecken. DnA Architects haben in der Gegend von Songyang bereits 20 Projekte realisiert, immer in enger Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden und Bewohnern. Diese Projekte stellen immer besondere Objekte in den Mittelpunkt, einige von ihnen aber auch lebendige Praktiken, insbesondere jene, die mit dem lokalen und traditionellen Handwerk zu tun haben. Bräuche und Rituale werden so zur Gelegenheit, um gemeinsame Erfahrungen machen zu können. Das Ergebnis ist ein kulturell geprägter Gemeinschaftsraum. Diese "Akupunkturen" sollen ein Bewusstsein schaffen für traditionelle Lebensformen, aber auch zeigen, wie ein Museum in der Zukunft aussehen könnte ...
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Die Mitarbeitert des Büros der Architektin Xu Tiantian sehen ihre Interventionen im ländlichen Raum von China als »architektonische Akupunkturen«, als kleine Nadelstiche also, die bescheiden sind, aber durchaus in der Lage, den chinesischen Dörfern eine Zukunft zu schenken. Ist die Strategie der “Akupunktur” im Gschnitztal sinnvoll oder sollte man auf ein einziges großes Gebäude - ein Solitär - setzen? Welche Vor- und Nachteile entstehen jeweils?
Das Land ist in China emotional besetzt und seine Traditionen werden wieder als Wert anerkannt. Dort findet man eine Identität, die in den generischen städtischen Räumen verloren gegangen zu sein scheint, denn auch hier findet Xu Tiantian noch dörfliche Traditionen. Welche Besonderheiten kann das Gschnitztal aufweisen?
Das Büro von Xu Tiantian verfolgt eine Strategie der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit, indem es eine Vielzahl kleiner und kleinster Projekte umsetzte die in engem Austausch mit den jeweiligen Dorfgemeinschaften entwickelt werden. Das sind zB. renovierte Altbauten, Fabriken, Treffpunkte und eine Handvoll kleinerer Museen. Gibt es Ansatzpunkte für eine Reihe solcher kleiner Interventionen im Gschnitztal?
Mit der »Tofu-Fabrik« widerlegt Xu Tiantian die herkömmliche Definitionen des Museums als einer Institution zur Wahrung des kulturellen Erbes. Das Team von DnA Architecture macht aus dem Museum das genaue Gegenteil, kurz gefasst: Das ländliche Leben ist selbst das Museum! An welche Produktionsform könnte man im Gschnitztal denken, wenn man das Leben der Menschen dort in ein “Museum” verpacken möchte?
Bei vielen Museumsprojekten weltweit geht es Xu Tiantian zufolge um die Hardware - die Architektur - nicht um die Software, den Inhalt. Bei den ländlichen Museen der Architektin steht hingegen der Inhalt im Vordergrund. Es geht um das Dorf selbst, das Leben dort, die ganze Gemeinschaft, wird zu einem alternativen Museum. Ist die Hardware eines Museums wichtiger oder die Software (vergleichen und abwägen!)?
Das ländliche Leben ist tief in einer eigenen sozialen und kulturellen Infrastruktur verwurzelt? Was lässt sich dazu im Falle des Gschnitztales sagen?
An was müsste man denken, wenn man ein Museum entwirft, das einen maximalen sozialen und kulturellen Einfluss nicht nur auf Touristen, sondern auch auf die Bewohner des Gschnitztales haben sollte?
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Student*innen
Franka Ruhnau
Lynn Meier
Alex Behelfer
Lukas Kennerknecht
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Referat 17
Neue Städte und Klima
Kunlé Adeyemi
Ein schwimmendes Museum? In der Welt des afrikanischen Architekten Kunlé Adeyemi ist das möglich. Der 46-Jährige ist Gründer von NLÈ, einem Büro, das sich spezialisiert hat auf sensible, urbane Interventionen in den wachsenden afrikanischen Metropolen. Adeyemi betreibt Büros in Lagos und zu Hause in den Niederlanden, wo er anfangs noch auf der Seite von Rem Koolhaas in Museumsprojekte eingebunden war. Das Wasser, oder mehr noch das Vorbild und die Methoden jener Menschen, die gezwungen sind, sich auf dem Wasser einzurichten, haben den Architekten zu einer regelrechten Epiphanie der leistbaren und nachhaltigen Architektur geführt. In Afrika ist man gezwungen, aus weniger mehr zu machen. Das hat zu einer - in den Worten Adeyemis - "menschlichen Infrastruktur" geführt. Der afrikanische Kontinent bietet neue Ansätze, nicht nur, um über den physischen Raum eines Museums nachzudenken, sondern auch über Programm und Organisation eines Museums. Adeyemi meint, ein Museum sollte ein Ort des Informellen sein, der Flexibilität, der Verwurzelung und ständiger Überraschungen - mit einer passenden Architektur dafür. Was können wir von Afrika lernen?
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Adeyemi verwendet im Interview den Begriff “menschliche Infrastruktur”. Was meint er damit? Gibt es auch im Gschnitztal eine solche menschliche Infrastruktur?
Wichtiger als der physische Raum eines Museums sind für Adeyemi Programm und Organisation. Könnte man im Gschnitztal an ein Museum denken, dass aus einem Programm besteht und ganz ohne Gebäude auskommt? Wie könnte eine Herangehensweise an ein solches Museum konkret aussehen? Wie könnte man die “kollektive Intelligenz” der Menschen für das Museum fruchtbar machen?
Adeyemi findet ein Beispiel dafür in Lagos, in der Gemeinschaft der Makoko, die Tausende von Fachwerkbauten auf Stelzen im Wasser errichtet hat. Die Bauten dieser Menschen sind auch ein Modell für das Museum der Zukunft. Sie gründen sich auf einem Konstruktionssytem, das schnell errichtet werden kann, ökonomisch und handgemacht ist. Gibt es im Gschnitztal eine solche Tradition, an die man anknüpfen könnte? Eignet sich die bäuerliche-alpine Architektur dafür?
Adeyemi erwähnt das Beispiel von Gebäuden, die auf dem Wasser realisiert werden, womit die Bodenfrage irrelevant wird und eine Antwort auf die Herausforderungen des Klimawandels gegeben wird. Die Bodenfrage ist auch bei uns relevant. Man sucht nach neuen Formen der Bodenmobilisierung, um das Wohnen leistbar zu machen. Könnten uns die Referenzen, die Adeyemi erwähnt, dabei helfen? Könnte der Entwurf eines Museums dafür den Prototypen liefern?
Das Museum der Zukunft darf an keinem festen Konzept hängen, vielmehr soll es offen gefasst und damit flexibel gemacht werden. Diese Flexibilität erlaubt es, auf die großen Herausforderungen von Urbanisierung und Klimawandel reagieren zu können. Flexibilität und Offenheit sind wichtig. Wie lassen sich beide im Gschnitztal in mit Hilfe der Architektur in die Realität übersetzen?
Was den Architekten an Afrika fasziniert, sind das Informelle, Spontane und die ständigen Improvisation der Menschen in ihrem Alltag, die das Museum zu einer Einrichtung machen könnte, die im Leben der Menschen verankert ist. Das alles macht Afrika zu einem Labor für das Museum der Zukunft. Welche Rolle spielen Wagnis, Zufall und Spontaneität beim Entwurf eines neuen Museums?
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Student*innen:
Katharina Rauch
Tillman Padberg
Niclas Plötzeneder
Laura Speckl
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T14_ MO 27.11.2023
Ort: Studio Architekturtheorie
13.00 Uhr - 15.00 Uhr
Referat 18
Das neue Alte
Winy Maas
In Rotterdam wurde vor kurzem das Museum Boijmans Van Beuningen eröffnet. Dazu gehört ein revolutionäres Nebengebäude, das als das erste öffentlich zugängliche Kunstlager der Welt bezeichnet wird. Das mit reflektierendem Glas verkleidete Depot, das hoch über dem Boden - und dem künftig steigenden Meeresspiegel - thront, bietet ungehinderten Zugang zu den Sammlungsobjekten des Museums und ermöglicht gleichzeitig Einblicke in die Konservierungs- und Forschungstätigkeiten des Museums. Der bauchige Innenraum des Depots mit seinen vierzehn Lagerabteilen und fünf Klimazonen ist nicht nur visuell beeindruckend. Es ist auch eine ernsthafte Herausforderung für den konventionellen Museumsbau. Das Depot überlässt die Verantwortung den Besuchern, die sich ihre eigenen Wege durch die Sammlung bahnen und die Objekte nach Belieben betrachten können. Dieser neue Ansatz entspringt der Vorstellungskraft von Winy Maas und seinen Kollegen von MVRDV, einem Büro, das sich dem Bau "innovativer sozialer, grüner, realistischer und bemerkenswerter Architektur für eine sich verändernde Welt" widmet.
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Das Faszinierende am Projekt Museum Boijmans Van Beuningen ist, dass ein Nebengebäude - das Lagerhaus eines Museums - radikal aufgewertet wird. Findet man im Gschnitztal solche Gebäude, die sich mit einem gekonnten architektonischen Eingriff radikal aufwerten ließe?
Das Depot überlässt die Verantwortung den Besuchern, die sich ihre eigenen Wege durch die Sammlung bahnen und die Objekte nach Belieben betrachten können. Es ist demokratischer als die Institution Museum, die wir bis dahin kannten, weil es die Wahl an den Besucher zurückgibt. Die Öffnung des Lagers für das Publikum gibt den Besuchern mehr Kompetenzen, sie löst das Problem des Lagerns von Kunstwerken stellt die kuratorische Praxis neben jene des Archivierens. Welche Räume im Gschnitztal können als inklusiv, welche als exklusiv betrachtet werden? Kann man diese Codierung irgendwie ändern?
Winy Maas erläutert den Umgang seines Büros mit der Tradition anhand des »Kunstmixers«: Ein Roboter baut ein Museum ständig um, indem er Licht, Farbe, Raumgrößen und -richtungen im Sekunden- oder Minutentakt wie beim »Zauberwürfel« ändert. Welche Zutaten findet man im Gschnitztal, die ein »Kunstmixers« zu einem neuen Konzept des Museums zusammenmixen könnte?
Winy Maas fordert dazu auf, den Kontext zu »hacken«, um die »Welt größer zu machen«, also das zu machen, was Kunst immer schon tut. Das Gschnitztal ist ein idyllisches kleines Seitental im nördlichen Wipptal. Mit welchen künstlerischen Maßnahmen könnte man das Tal »größer machen«?
Trotz aller Radikalität, die Winy Maas fordert, klingen seine Aussagen doch recht plausibel. Er fordert zB. dazu auf, Projekte zu initiieren, mit denen das Alte neu werden kann. Diese Projekte fungieren als ein trojanisches Pferd im jeweiligen Kontext und suggerieren die Möglichkeit von etwas Anderem. Findet man Beispiele dafür im Gschnitztal? Wie kann man Elemente des Bestandes zu einem “trojanischen Pferd” machen?
Maas stellt eine wichtige Frage, an die er die Relevanz des Museums knüpft: “Was macht uns Sorge”? Ja, was?
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Student*innen:
Florence Ripp
Laura-Marie Glas (Museum als unfertige Baustelle)
Gergana Takova
Anna Grätzer
Fransico Praxmarer
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Referat 19
Das Anthropozän-Museum
Kabage Karanja & Stella Mutegi
Das Museum ist in Afrika ein Problem. Es ist eine Installation, die ganz der Perspektive der Kolonialherren entspricht. Inhalte und Praxis der Museologie gründen in Afrika in einem Konflikt, dh. das Museum ist kein harmloser Ort, wo schöne Dinge ausgestellt, sondern wo Traditionen und Identitäten ausgelöscht wurden. Kulturgeschichtlich hatte Afrika nie Museen per se. Das Museum ist bei Kabage Karanja und Stella Mutegi kein Gebäude mehr, sondern eine Höhle oder Infrastrukturen, die von den Menschen verlassen wurden. Die geologische Gründung und die Basis ihres Denkens sind das, was die Hardware des Museums ausmacht. Während des Kolonialismus haben sich die Afrikaner dorthin zurückgezogen, um ihren Anspruch auf das Land und die eigene Kultur zu stellen. Für die beiden Architekten ist die Höhle ein bewegliches Konzept (“Wandermuseum”), das immer dann in Kraft gesetzt wird, wenn es um wichtige Belange geht, wie zB. die Herausforderungen des Klimawandels oder Projekte von Regierungen und internationalen Organisationen, von denen die Einheimischen ausgeschlossen werden. Karanja und Mutegi nennen ihr Projekt das “Anthropozän-Museum”. Sie haben das Gefühl, dass sich der Kreis schließen wird. Verfolgt man die Pandemie und angesichts des Drucks, der mit der Zerstörung der Umwelt entsteht, ist es sinnvoll, dass Institutionen die indigenen Praktiken als Zentren der Wissenproduktion (knowledge-making centers) betrachten.
Hier geht’s zum Text
Text zur Vertiefung
Hier geht’s zum Video “Cave_bureau: Spaces of Trauma, Spaces of Healing”
Das Gschnitztal ein geeigneter Ort für den Bau eines “Anthropozän-Museums”. Welche Argumente lassen sich dafür finden?
Der Appell, die indigenen Praktiken als Zentren der Wissensproduktion zu betrachten, enthält eine neue Perspektive auf das Wissen, das Museen in der Regel repräsentieren. Das Museum ist nicht mehr der Ort eines Wissens der Eliten und für die Eliten, sondern stellt seinen Besuchern ein “situiertes Wissen” (Haraway) zur Verfügung. Welche Formen eines “situierten Wissens” lassen sich im Gschnitztal finden? Wie könnte man die Vermittlung dieses Wissens architektonisch gestalten?
Wenn das Museum nicht zwangsläufig ein Gebäude ist, sondern eine “Höhle” oder Infrastrukturen, die von den Menschen verlassen wurden, dann bedeutet das einen radikalen Wechsel der Perspektive. Brauchen wir eine neue Typologie, um ein Museum der Zukunft bauen zu können? Brauchen wir überhaupt noch eine Typologie? Findet man im Gschnitztal eine solche “Höhle” oder eine Infrastruktur, die von den Menschen verlassen wurde? Wenn nicht, was könnte in die Rolle dieser beiden Orte (externer Standpunkte oder typologischer Antipoden) schlüpfen?
Das “Anthropozän-Museum” von Karanja und Mutegi ist ein Wandermuseum, dh. es geht dorthin, wo gerade große Probleme entstehen und hilft den Menschen vor Ort, in der Gemeinschaft diese Probleme zu lösen. Wie könnte man das Konzept eines Wandermuseums im Gschnitztal umsetzen?
Ist die “Höhle”, von der die Architekten von Cave_bureau sprechen, nur als Natur-Raum vorstellbar oder könnte man eine solche Höhle auch architektonisch in Form eines Gebäudes konzipieren? (Vgl. dazu den “Serpentine Pavilion” von Junya Ishigami)
Beim “Anthropozän-Museum” von Karanja und Mutegi sind die Höhlen schon da, dh. es bedarf keiner großen baulichen Anstrengung, um das “Museum” zu errichten. Alles reduziert sich im Prinzip auf die Frage, wie man den bereits vorhandenen Raum kuratiert. Lässt sich auch im Gschnitztal ein solches Beispiel finden, wo es den Raum schon gibt und das Museum (es braucht nur noch den richtigen Blick darauf) auf die Frage des Kuratierens reduziert werden kann?
Dem Argument der Architekten von Cave_bureau folgend könnte man sagen, im Gschnitztal ist das Museum eigentlich schon da (der imposante Naturraum), man brauche nichts mehr zu bauen, sondern müsse dieses Museum nur noch entsprechend kuratieren. Stimmt das?
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Student*innen:
Maxime Lorenzoni
Theresa Strittmatter
Wiktoria Sadlo
Jonathan Fleger
Erik Sitka
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Referat 20
Natur und Spiel
Eduardo Neira
Im Dschungel Mexikos wagt der argentinische Autodidakt, Architekt, Hotelbesitzer, Unternehmer und Museumsgründer Eduardo Neira ein einzigartiges Experiment: Er will herausfinden, ob die Natur selbst eine Art nachhaltiges Kunstwerk sein kann. Anstatt ein weiterer identischer White-Cube-Kunstraum zu sein, soll die Architektur "biophil" sein, sagt Roth: den Dschungel umarmen, anstatt ihn abzulehnen.Neira ist der Initiator einer Reihe von Museen, die Mitten im Dschungel errichtet werden, ganz ohne Plan und mit Hilfe der örtlichen Maya-Bevölkerung. An die Stelle des Plans treten Intuition uns Spiel. Neira sieht den Urwald als eine kulturelle Sphäre, die alle west-lichen Konventionen sprengt. Der Besucher zieht seine Schuhe aus, bevor er das »Museion«, den Ort der Musen, betritt. Vom Besucher wird also ein respektvoller Umgang erwartet im Verhältnis zur Natur. Im Fokus stehen der Erhalt der lokalen Kulturen und der Landschaft. Auch die Wiederentdeckung und die Stärkung bestimmter Formen des Wissens und der Interaktion sind wichtig. Daraus lässt sich ein Modell für den Erhalt des Ökosystems ableiten, das in Zeiten des massiven Wandels gefährdet ist. Neira liefert mit seinen Museen eine Antwort auf die Krise der Natur und der Institution Museum. Im Laufe des Wachstumszyklus wird sich das "Mexx" genannte Museum bis zur Unkenntlichkeit verändern, erklärt der Selfmade-Architekt Neira. "Es ist lebendig", sagt er. "Einige Teile werden blühen, andere Pflanzen werden absterben. In sechs Monaten wird es nicht mehr wiederzuerkennen sein. Und dann? "Wir nehmen ihn auseinander und geben ihn der Gemeinde. Dann geht es zurück in die Natur."
Hier geht’s zum Text
Warum liefert Neira mit seinen Museen eine Antwort auf die Umweltkrise und die Krise der Institution Museum?
Neira vertritt ein radikales Konzept des Museums, das ganz in den Naturzyklen aufgeht. Das Museum wächst, blüht auf und verwelkt. Lässt sich ein solches Experiment auch im Gschnitztal anlegen?
Das Team rund um Edoardo Neira baut die Museen im Dschungel von Yucatan ganz ohne Plan, also ohne Vorwegnahme von Grundrissen oder Schnitten. Entscheidungen werden häufig ad hoc getroffen und meist in einem bestimmten zeitlichen Abstand. Was könnte man daraus ableiten für das Recycling von Materialien vor Ort? Welchen Wissen kann man sich dabei zunutze machen? Wie könnte ein Museum im Gschnitztal aussehen, das im Geiste von Roth Architecture umgesetzt wird?
Edoardo Neira sagt, Ort und Grundriss des Museums richte sich nach den Umrisslinien der Baumkronen im Dschungel, womit sich die Belichtungsverhältnisse für das Museum ergeben. Wie könnte man, ausgehend von natürlichen Verhältnissen eine solche “freie Typologie” entwerfen?
Edoardo Neira wendet sich mit seinen Museen gegen die Vorstellung einer starren und unveränderlichen Institution, die sich als Bollwerk gegen den Wandel der Zeit behauptet. Der Vergleich mit der “Öko-Kathedrale” von Louis LeRoy zeigt, dass das Bauen in und mit der Natur eine ganz andere Herangehensweise erfordert. Wie könnte also ein Museum mit dem Thema “Natur” aussehen?
Text zur Öko-Kathedrale: /artikel/le-roys-oeko-kathedrale-ueber-die-paradoxien-der-nachhaltigkeit
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Student*innen:
Sophie Gruner
Lena Marie Jenn
Christoph Kogl
Laura Manzl
Nina Ströter
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