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hortus mundi

Peter Volgger spricht mit Harald Gasser, Christian Sturm, Christian Partl und Ute Ammering

Gestaltung 1 sucht den kürzesten Weg ins Paradies. In Zeiten von Corona, Klimawandel und industrieller Landwirtschaft ist die Wunderwelt des Gartens ein positives Sinnbild für den behutsamen Umgang mit dem Leben und für viele ein Schritt „Zurück in die Zukunft“. Dass während der Corona-Zeit mehr Saatgut verkauft wird, erklären die Psychologen damit, dass in einer als bedrohlich empfundenen Lage Menschen Sorge um etwas entwickeln, mit dem sie die Lebenswelt teilen. Das Reich der farbenfrohen Formwandler bietet nicht einfach eine Welt im Taschenformat, sondern sie steht für das Ganze. Heute ist die Grenze des Gartens nämlich nicht mehr der Zaun, sondern die verletzliche Biosphäre. Ihr Gärtner ist die ganze Menschheit.

Bei uns zieht der Gärtner in Ruhe sein Gemüse. Wie zum Beispiel Harald Gasser auf dem „Aspingerhof“ in Barbian. Knollenziest, Erdmandeln und Bodenkohlrabi sind nur einige der fast 1000 Raritäten, die er in „Pflanzengemeinschaften“ züchtet und in kleinen Mengen zum Verkauf anbietet. Der Gemüseflüsterer öffnet uns die Augen für die subtilen Symbiosen längst vergessener Pflanzensorten. Sein „Denken in Wurzeln“ offenbart die Sympathie aller Dinge. Die Zuckerwurzel ist eben kein Glückskleerübchen und schon gar kein Rattenschwanz-Radieschen…

Die Reise führt uns weiter vom jungen Gemüse zum alten Korn. Gemeint ist die „Imperial Gerste“, eine uralte Sorte, die einst die Kulturlandschaft im oberen Inntal bestimmte, dann fast gänzlich verschwand. In Tösens stoßen wir auf Christian Sturm, der vor fünf Jahren mit einer Handvoll Pionieren die Gerste wie einen Phönix aus der Asche holte. Er hatte den Ehrgeiz, eine seltene Getreidesorte und mit ihr eine lange Tradition für die Nachwelt zu retten. In Zukunft werden „wandernde Landschaften“ entstehen, die dem Klimawandel folgen und die auf die Resistenz dieser alten Landsorten setzen.

Mit Christian Partl sprechen wir über die Tiroler Genbank, die zu den ältesten dieser Art weltweit gehört. Vor beinahe 100 Jahren wurden erstmals in unseren alpinen Regionen alte Sorten – Landsorten bzw. Herkünfte – von Getreide, später auch von anderen Nutzpflanzen gesammelt und in diese Genbank aufgenommen. Einige alte Landsorten wurden wieder reaktiviert und bieten ausgezeichnete Möglichkeiten für regionale Spezialitäten mit entsprechender Wertschöpfung. Beispiele dafür sind die Tiroler Imperial Gerste (Fisser Gerste), der Obernberger Schwarzhafer und Steiners Roter Tiroler Dinkel. Vielleicht ist der Garten der Zukunft aber auch ein urbanes Phänomen? Dinge die wachsen sind nicht nur Pflanzen, sondern auch Gemeinschaften rund um den Garten. Weil er die Botschaft der Vielfalt trägt, ist der Garten inmitten der Stadt nicht nur ein Ort der Entschleunigung, sondern auch eine Initiative mit widerständigem Potential. Hobby-Gärtner und Liebhaber ziehen in Beeten ihr eigenes Gemüse und erobern sich einen Teil des Stadtraums zurück. Ute Ammering, die Obfrau des Vereins „Ernährungsrat Innsbruck“ kümmert sich darum, dass Menschen inmitten der Stadt mit allen Sinnen einen Lebensraum schaffen, Verantwortlichkeit üben und ein Bewusstsein entwickeln dafür, woher ihre Nahrung kommt.

Inwiefern ist der Garten eine Metapher für den Zustand unserer Welt oder ein neues Modell für den Umgang mit ihr? Zwingt uns der Verlust von Biodiversität dazu, die ganze Erde wie einen Garten zu behandeln?